Liebe Leserin, lieber Leser

ich grabe in meinem Bergwerk nach Texten und finde: Nuggets, Kristalle, Edelsteine und viel zu oft Katzengold. An den Fundstücken klebt Schlamm. Sie müssen gewaschen und poliert werden. Das alles mache ich hier nicht.

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sarah.tegtmeier - 5. Apr, 22:47
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HARFIM - 2. Mär, 00:10
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sarah.tegtmeier - 1. Mär, 22:25

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31
Okt
2007

Die Motte

Als ich heute morgen in mein Büro kam und mich an meinen Schreibtisch setzte, fiel mir eine Motte auf, die draußen auf der Scheibe saß. Sie leuchtete hellbraun wie die Blätter, die der Wind jetzt von den Bäumen bläst. Ihre Flügel waren durchscheinend und hatten in der Mitte jeweils einen winzigen schwarzen Fleck. Einen Moment beobachtete ich das Insekt, dann holte ich mir einen Kaffee. Als ich mich vor meinen Bildschirm setzte und an meinem Becher nippte, war die Motte noch immer da. Sie blieb den ganzen Tag regungslos an ihrem Platz. Von meinem Arbeitsplatz aus musste ich nur leicht den Kopf vom Monitor zum Fenster drehen, um sie zu sehen. Sie war immer da, während der acht Stunden, die ich heute im Büro war, bewegte sie sich nicht einen Millimeter. Sie war immer einfach nur da. Während dieser acht Stunden habe ich ungefähr vier Tassen Kaffee getrunken, vier Mal bin ich zur Toilette gegangen, mittags war ich in der Kantine essen, am Nachmittag aß ich eine Apfelsine, ich habe mich gelangweilt, ich habe Emails gelesen, mich mit Kollegen unterhalten, war wenigstens einmal wütend, ich habe die Entwicklung eines Programmteiles abgeschlossen und seine Funktionalität getestet. Während dieser ganzen Zeit, rührte sich die Motte nicht von der Stelle.

Es war eine schöner Tag heute in Aachen, blauer Himmel, Sonnenschein. Auf dem Weg in die Kantine überlegte ich sogar, ob es warm genug war, dass wir den Mittagskaffee wie im Sommer im Freien genießen könnten. Am Nachmittag flog ein Schwarm Krähen über den Parkplatz Richtung Westen. Ein junge Frau joggte mit ihrem Hund. Ich saß an meinem Arbeitsplatz. Die Luft im Büro kam mir stickig vor. Draußen war es kalt. Die Motte sass die ganze Zeit an ihrem Platz. Ich glaube nicht, dass sie tot war, wie hätte sich ein totes Insekt den ganzen Tag an einer Scheibe halten sollen?

Ich habe mal von einer Theorie gelesen, nach der die Gefühle und Gedanken, die wir im Kopf und im Bauch haben, und sogar unsere ganze Persönlichkeit, unser Ich, unser Bewusstsein von uns selbst, dass dies alles nichts weiter ist als ein Konstrukt unseres Gehirns, mit dem es versucht, die unglaubliche Flut an Reizen und Information zu verarbeiten. Nach dieser Theorie ist jeder Gedanke, jedes Gefühl eine Projektion dessen, was unser Gehirn von sich selbst wahrnimmt.

Was nahm das Gehirn dieser Motte wahr? Verglichen mit meinem Gehirn besteht dieses Insektenhirn nur aus einem winzigen Bruchteil von Nervenzellen. Zu komplexen Wahrnehmungen ist dieses Gehirn sicher nicht in der Lage. Das Gehirn der Motte kann einen Mangel an Nährstoff wahrnehmen, es kann hungrig sein und sein die Motte zur Nahrungssuche veranlassen. Es kann äußere Bedrohungen erkennen, wie z.B. Vögel, die die Motte fressen wollen, oder ungünstige Witterungsbedingungen wie Regen oder Wind, woraufhin die Motte flüchten oder sich einen günstigeren Platz suchen wird. Vielmehr muss dieses Gehirn nicht verarbeiten, um das Überleben dieser Motte zu sichern. Dass die Motte sich den ganzen Tag über nicht bewegte, bedeutet also, dass sie keinen Grund dazu hatte. Sie hatte keinen Hunger und nichts bedrohte sie.

Den ganzen Tag versuchte ich mir immer wieder den Zustand des Gehirns dieser Motte vorzustellen. Am späten Nachmittag, als mein Kollege das Büro verließ, beugte ich mich zu der Scheibe, um die Motte näher zu beobachten, keine Reaktion. War sie vielleicht doch tot? Nein, das glaube ich noch immer nicht. Wahrscheinlich schwirrt sie inzwischen um irgendeine Lampe. Erst am späten Nachmittag fing ich an zu begreifen, was das Verhalten der Motte bedeutete. Die Situation und die Position der Motte waren perfekt. Ihr Gehirn nahm keine äußeren oder inneren Reize war, die eine Reaktion erforderten, d.h. es gab also keine Handlung, die die Situation der Motte verbessern konnte. Sie saß einfach nur da auf der Schein. War sie vielleicht einfach nur glücklich? Und was bedeutet das für den Zustand meines Gehirns? Denke, fühle, handle ich nur deshalb, weil sich mein Gehirn noch nicht in einem perfekten Zustand wähnt?

28
Okt
2007

Schreiben

Vom Schreiben leben?
Vom Leben schreiben!

17
Okt
2007

Ratten

Warum hatten sie sich gestritten? Nadine schaute zum Himmel, tiefblau hing er über ihr wie eine Kuppel. Die Sonne war schon hinter die schnee bedeckten Tannen gesunken, trotzdem blendeten sie die Strahlen, die durch die Zweige schienen. Frank, dachte Nadine. Nur dieser Gedanke war von dem Streit gestern Abend übrig geblieben. Wie er aus der Wohnung gestürmt war, mit Schweiß auf der Stirn. Ob er zurück kommt?

Über den Weg blies ihr ein frostiger Wind ins Gesicht. Die Spitzen der Tannen schwankten unschlüssig, raunten als wunderten sie sich über die Joggerin, die so spät am Nachmittag hier unterwegs war. Sie hielt an, zog die Fäustlinge aus und klemmte sie zwischen die Knie. Der Wind stach wie Reisszwecken in ihr Gesicht. Sie löste den Schal und wickelte ihn um Hals und Gesicht, schob sich die Pudelmütze tiefer in die Stirn. Ihr Atem trieb in Wolken davon. Sie überlegte umzukehren wegen der Kälte, aber die Luft war so rein und klar, der Wald so friedlich. Sie lief weiter, der Schnee knirschte unter ihren Sohlen. Sonst war es still. Die Stämme knarrten.

Hinter ihr krächze ein Vogel. Sie zuckte zusammen, drehte sich um. Eine Rabe flog über ihren Kopf hinweg und landete in einer Tanne, die alle ihre Nadel verloren hatte. Der Vogel krächzte aufgeregt, hinter der nächsten Kurve hörte sie mehr Stimmen. Der Rabe schien sie zu beobachten. Als sie weiterlief, schwang sich das Tier in die Luft und flog voran. Nadine starrte ihm hinterher. Als sie um die Ecke bog flog vor ihr ein Schwarm Raben auf, sechs, vielleicht auch mehr Vögel kreisten über ihrem Kopf. Sie mochte Raben, ihren rauhen Stimmen, die klangen als hätten sie zu viel Rotwein getrunken und zu viel Zigarren geraucht.

Beim nächsten Schritt knackte es unter ihrer Sohle: Sie hatte in tote Ratte getreten. Der Kadaver war unter ihrem Tritt aufgeplatz, Blut klebte an ihrem Schuh. Einen Moment drehte sie ihr Gesichtsfeld. Dann erst erschrak sie und machte einen Schritt zur Seite. Mit dem anderen Fuss tratt sie auf eine zweite Ratte, eine graubraun gescheckte, die erste war weiß gewesen. Sie schwankte. Der Weg vor ihr war übersät mit toten Ratten, graue Ratten, braune Ratten, weiße Ratten mit braunen Flecken, einige lagen flach auf dem Bauch, andere auf dem Rücken, auf der Seite, die Schwänze hatten sie wie Schwerter in den Schnee gestreckt oder um den Leib geschlungen. Einigen hatten die Raben den Bauch aufgepickt, Gedärme quollen heraus.

Nadine wich einige Schritte zurück, Mitleid und Ekel fesselten ihren Blick an das Leichenfeld. Sie hockte sich nieder, riss den Schal vom Hals und übergab sich in den Schnee. Dann schaute sie zurück auf die Ratten. Das nächste Tier vor trug ein rotes Halsband, an dem ein rundes Metallplättchen hing, worauf in schwarz die Nummer 37 stand. Auch die Ratte, die neben dieser lag, hatte ein Halsband wie ihre Nachbarin, das Plättchen zeigte die Nummer 12. Nadine wunderte sich über die Nummern. Sie stand auf und als brächte das Ordnung in ihre Verwirrung und vertriebe ihren Ekel, umrundete sie die Kadavar, zählte sie durch: Genau 50 Ratten, jede trug ein Halsband. Die Tiere schienen von eins bis fünfzig durchnummeriert.

Ein Rabe flog dicht über sie hinweg und krächzte wütend. Die Vögel kreisten über Nadine und kamen ihr immer näher. Erschrocken drehte sie sich um ging langsam den Weg zurück. Inzwischen war die Sonne untergegangen und Nadine konnte kaum den Boden zu ihren Füßen sehen. Hastig stolperte sie zurück zu ihrem Wagen. Sie mussten jemanden anrufen. Erst als sie den Parkplatz erreichte, zog sie ihr Handy aus der Hosentasche. Wen sollte sie Anruf? Die Ratten bedeuteten etwas? Sie mussten jemandem gehören, der sie entweder vermisste oder für ihren Tod verantwortlich war. Die Polizei musste sich darum kümmern, musste ermitteln und den Schuldigen verhaften. Nach dem Gespräch lehnte sie sich gegen ihren Golf. Scheinwerfenkegel huschten hinter über die Landstraße vorbei. Nadine fror, setzte sich aber nicht in den Wagen, sie fühlte sich einsam, dachte wieder an Frank: warum? Warum wollte sie in anrufen und von den Ratten erzählen? Würde das etwas ändern?

15
Okt
2007

Feddersen steht auf

Musste diese verdammte Negerin ausgerechnet um viertel vor sechs kommen. Jeden Tag ging er um die gleiche Zeit nach Hause, Feddersen hatte nicht vor heute eine Ausnahme zu machen, mochte der Fall dieser Schwarzen noch so dringend sein.

"Aber verstehen Sie doch" Die Frau breitete eine Handfläche vor ihm aus. "Meine Tochter wird in ein paar Wochen eingeschult. Ich brauche das Geld. Wie soll ich ihr die Hefte, Bücher und Stifte kaufen."

Feddersen wunderte sich, wie gut die Frau Deutsch sprach. Die meisten der Bimbos nuschelten, dass er sie kaum verstand.

"Ich kann Ihnen nicht helfen."

Langsam richtete er sich vor der Frau auf. Feddersen war groß und Kräftig, in seinem Boxverein nannten sie ihn Bulldoge. Er genoss, wie sich die Frau eingeschüchtert duckte. Er ging um den Schreibtisch herum, zog sie von ihrem Stuhl herunter und schob sie zur Tür heraus. Zufrieden räumte er seinen Schreibtisch auf. Um Punkt 18 Uhr wie an jedem Arbeitstag verließ er das Ausländeramt.

"Pünktlich wie immer, Herr Feddersen", sagte der Pförtner am Eingang. Feddersen nickte antwortete mit einem grimmigen Blick.

Auf der Bank der Haltestelle hockte zu seinem Unmut die Schwarze, die eben seinen Rhythmus gestört hatte. Zum Glück bemerkte sie ihn nicht. Nach einigen Minuten kam der Bus. Wortlos ging Feddersen an Willy Otremba, dem Busfahrer, mit der er für gewöhnlich ein Schwätzchen hielt, vorbei und setzte sich in die letzte Reihe. Die Negerin wählte einen Platz in der Mitte.

Was hatte sie hier zu suchen, fragte er sich, als der Bus los fuhr. Sie gehörte nach Afrika, wo ihre schwarze Haut sie vor der Sonneneinstrahlung schütze. Deutschland war ein weißes Land. Im Grunde verstand er die Frau sogar. In ihrer Heimat herrschte wahrscheinlich Bürgerkrieg oder eine Hungerkatastrophe. Aber was konnte er dafür, dass diese Bimbos ihren Kontinent nicht in Ordnung halten konnten. Warum sollte die deutsche Gesellschaft dafür zahlen? Hatten sie hier nicht genug Probleme? Er fühlte sich in ihrer Nähe nicht wohl, irgendwie schuldig als hätte er etwas gut zu machen.

An der nächsten Haltestelle bestiegen zwei Skinheads in Fliegerjacken und Springerstiefeln den Bus. Feddersen schätze die beiden Männer auf ungefähr zwanzig. Sie stemmten die Hände in die Taschen als warteten sie nur auf eine Gelegenheit zu explodieren. Als der Bus weiter fuhr, entdeckte der kleinere der beiden die Schwarze, die sich in ihren Sitz kauerte und bemühte keine Aufmerksamkeit zu erregen.

"Hey, du Nigger-Fotze!" Er baute sich breitbeinig vor ihr auf und stieß sie mit der Faust an. "Dies ist ein deutscher Bus."

Der andere gesellte sich zu seinem Kameraden.

"Was haste hier zu suchen?" Er entriss ihr den Rucksack, den sie als Schutz gegen die Brust presste. "Willst dir wohl Kosten des Deutschen Volkes einen lauen Lenz machen."

"Lasst mich in Ruh'! Verpisst euch'!", fauchte die Schwarze.

"So spricht du nicht mit einem Deutschen!" Der größere schlug ihr ins Gesicht, dass ihr Kopf gegen die Buswand prallte.

Die Frau blickte sich im Bus. Für einen Moment sah Feddersen ihr in die Augen. Da war wieder dieser Vorwurf, diese Anklage. Die Frau schrie, als ein zweiter Schlag sie traf. Feddersen stand auf. Mit ein paar Schritten durchquerte er den Bus.

"Es reicht!" Er packte den ersten an der Schulter und zog ihn mit einem Ruck zur Seite, dass dieser zu Boden fiel.

"Otremba, halt mal an!", schrie er zum Busfahrer. "Die zwei wollen aussteigen."

Der Fahrer trat auf die Bremse. Die Türen schwangen auf, während der Bus ausrollte. Feddersen packte einen Skinhead, stieß ihn aus dem Bus, zerrte den anderen hinter sich her, warf ihn auf die Straße. Das ganze ging so schnell, dass die beiden Kerle sich nicht wehren konnten. Als sich die Türen des Busses schlossen, überschlug sich der eine auf dem Asphalt, während der andere sich die Wange rieb.

"Alles in Ordnung?"

Die Hand der Schwarzen zitterte, als Feddersen ihr den Rucksack reichte.

"Vielen Dank!"

Feddersen wehrte ihren Dank mit einer Handbewegung ab.

"Kommen Sie morgen wieder. Dann werden wir sehen, was ich für Sie tun kann."

Er nickte dem Busfahrer zu, dann ging er wieder zu seinem Platz in der letzten Reihe. Er spürte die Blicke der andere Fahrgäste.

23
Sep
2007

Zeitverschwendung

Heute Nachmittag hatte ich Besuch von einem guten Freund und seiner Freundin. Wir saßen im Garten, tranken Earl Grey und aßen Schokoladenkuchen. Er erzählte begeistert, dass er seit einem halben Jahr Herr der Ringe Online spielt. Die Entwickler haben wie es scheint in dem Spiel (fast) die gesamte Welt aus dem Herrn der Ringe nachgebildet. Er meinte, erkenne sich einigermaßen in der Welt aus. Wenn man dann z.B. durchs Auenland geht, an den Brandyweinfluss kommt, aus dem Buch weiß, dass über den eine Brücke führt, nach der man irgendwie in den alten Wald kommt, dann findet man im Spiel tatsächlich diese Brücke und diesen Weg in den alten Wald. Er war schon mehrmals im alten Wald, jedes Mal weiß er nach einigen Minuten nicht mehr, wo er ist, und verläuft sich. Er spielt es fast jeden Abend, mindestens ein bis zwei Stunden. Dabei kann er sich immer wunderbar entspannen und schläft gut. Einmal spielte er bis vier Uhr morgends, obwohl er am nächsten Tag arbeiten musste.

Mir fiel dazu nur ein Kommentar ein: Zeitverschwendung.

Ich habe gerade kurz nach dem Spiel im Internet gesucht, um ein paar Bilder zu sehen. Es ist ja schon wirklich erstaunlich, was die Computergrafiker heute alles auf den Bildschirm zaubern. Aber es ist doch nur eine virtuelle Wellt, nichts als Elektron, die durch den Speicher des Rechner sausen. Man kann den Wald nicht riechen, man kann sich nicht an Brombeerhecken den Arm aufschürfen. Man kann nicht den Atem oder den Schweiß des Gegners spüren. Wenn man den Rechner ausschaltet ist alles verschwunden.

Um ehrlich zu sein: Ich bin neugierig, wie das virtuelle Auenland aussieht. Als ich einen kurzen Blick auf die Interseite warf, überlegte ich, ob das Spiel für meinen Tiger erhältlich ist. Aber ich weiß: Selbst wenn ich es auf meinem Rechner installierte und startete, würde mein Aufenthalt darin nach ein paar Minuten als Zeitverschwendung vorkommen. Ich sagte meinem Freund, dass das Spiel für mich Zeitverschwendung bedeutet. Er verstand meinen Kommentar nicht. Wie sollte er mich auch verstehen! Kommt mir doch seit einiger Zeit, fast alles was ich tue, als Zeitverschwendung. Mein Arbeit: Zeitverschwendung, aber nun gut irgendwie muss ich mein Müsli und das Futter für meine Katzen ja finanzieren; Wohnung aufräumen, Wäsche waschen, Einkaufen: Zeitverschwendung. Früher bin ich viel ins Kino gegangen. Es gab einmal ein Jahr, da bin ich 40 Mal im Kino gewesen. Heute überlege ich mir sehr genau, welchen Film ich sehe, früher habe ich fast alles gesehen. Ich habe noch ein paar DVD auf meinem Schreibtisch, die ich noch nicht gesehen habe. Die Klassik-Edition der ZEIT habe ich immer noch nicht durchgehört. Immer wenn ich eine der CDs einlege, denke ich, dass könnte Zeitverschwendung sein, denn eigentlich könnte ich stattdessen: Schreiben.

Und obwohl ich mich über meinen Besuch heute Nachmittag gefreut habe und obwohl ich fast ein wenig enttäuscht war, als sie nach zwei Stunden schon gingen, überlegte ich mittags, als ich den Schokoladenkuchen buk, das könnte heute Nachmittag wieder Zeitverschwendung sein, denn eigentlich könnte ich stattdessen: Schreiben.

22
Sep
2007

die letzte Sommernacht

Dies ist die offiziel letzte Sommernacht. Laut dem Internetwetter beginnt morgen um 11:51 der Herbst. Morgen soll es noch einmal warm werden. Vielleicht gönnt uns der Herbst eine erste laue Herbstnacht. Der Sommer war ja dieses Jahr eher schlecht gelaunt. Ich sitze auf der Terrasse in meinem Garten. Mir ist kalt (ein vertrautes Gefühl in diesem Sommer). Der Bildschirm meines Laptop beleuchtet seine Tastatur. Die Beschriftung der Tasten kann ich nicht erkennen, zum Glück kann ich blind maschineschreiben (wird das jetzt eigentlich getrennt, auseinander oder wie auch immer geschrieben) - ich lausche in die Nacht hinein, in diese letzte Sommernacht. Hinter den Häuser rattert ein Zug. Ich wohne noch nicht lange genug hier, habe noch nicht lang genug in die Nacht gelauscht, um sagen zu können, ob der Zug in Aachen einfährt oder Richtung Brüssel, Paris unterwegs ist. Ein Martinshorn erklingt. Irgendwo lacht eine Frau, jemand hustet. Dann ist da noch der Atem der Stadt, dieses unterschwellig Raunen, das von nirgendwo zu kommen scheint, in dem sich der Lärm der Autos mit der anderen Geräuschen vermengt. Die Vögel schlafen. Oder sind sie schon nach Afrika gezogen? Etwas flattert in einem Busch am Rand meines Gartens. Die Nachbarn sind noch einmal in den Garten gegangen. Ich kann sie nur hören nicht sehen, weil eine zwei Meter hohe Mauer die Grenze zwischen ihrem und meinem Garten bildet. Ich schaue nach oben - und verfluche die Stadt, die mit ihrem Licht den Nachthimmel verpestet. Ich wünsche mir einen Stromausfall, damit es dunkel genug wird, um die Stern zu beobachten. Über mir steht Cassopeia, das Himmels-W, zumindest glaube ich das, es würde zu Jahreszeit passen. Heute in der Mayerschen hatte ich das Himmelsjahr 2008 in der Hand. Früher kaufte ich mir das öfter. Diese Woche überlegte ich sogar mal wieder mir ein Teleskop zu kaufen, aber erstens bin ich noch immer pleite und zweitens hätte ich aus meinem Garten bei dem ganzen Lichtschmutz nur miese Beobachtungsbedingungen. Wie lange werde ich jetzt noch hier sitzen. Die Flasche Bionade (Ingwer-Orange) habe ich schon leer getrunken. Ich habe noch einmal zum Himmel geschaut. Nun glaube ich, dass über mir der Schwan seine Schwingen ausbreitet, mein Lieblingssternbild. Wenn man es mit dem Fernglas beobachtet sieht mit die Sterne der Milchstraße, Myriaden von Lichtpunkten, die man mit bloßem Augen nur als hellen Schleier wahrnimmt, wenn es dunkel genug ist. Irgendwann mache ich mal eine Reise in die Sahara, weil die Nacht dort so finster ist, dass man die Milchstraße sehen kann. Wieder quatschen die Nachbar in die Stille hinein. Wenn ich nicht so schwerhörig wäre, könnte ich sie belauschen. Es scheint ein politisches Gespräch. Ich höre die Worte "was wenn die Amerikaner ... nicht in Kroation ... Italien ist kein ... Staat ... die Italiener ... wenn Jugoslawien nicht gefallen wäre ... " Es sind Männer, die sich da unterhalten, im Hintergrund krakelt ein Kind. Die letzte Sommernacht. In irgendeinem Gedicht heißt es: Wer jetzt allein ist, wird es lange bleibe. Ich kenne das Zitat, aber nicht das Gedicht, wahrscheinlich eine Bildungslücke. Jetzt ist es plötzlich wieder still, als hätte jemand das Fernsehen ausgeschaltet, wahrscheinlich sind sie nur reingegangen und haben das Fenster geschlossen. Mir ist kalt. Der Friseur, der über mir wohnt ist nicht zu Hause, in seiner Wohnung ist es dunkel. Wahrscheinlich kommt er gegen 23 Uhr heim und dreht dann die Musik so laut, dass ich sie in meinem Bett hören kann. Wieder fährt ein Martinshorn durch die Straße, das dritte seitdem ich hier sitze und friere. In den oberen Wohnungen meines Mietshauses brennt Licht. Da sind sie, lesen einen Liebensroman, schauen die Berichte vom heutigen Bundesligaspieltag, höreb eine Symphonie von Sibelius (der starb an einen Tag dieser Woche vor fünfzig Jahren) oder sie haben Sex miteinander, hoffentlich guten. Ob auch sie wissen, dass dies die letzte Sommernacht ist? Meine Katzen streunen noch durch die Nachbargärten. Habe ich schon erwähnt, dass ich in Strümpfen hier sitze. Langsam kriege ich kalte Füße.

6
Sep
2007

Augen Auf! - Kostprobe IV

... Inka hechtete über eine Schneewehe und rutschte einen Hang hinab, dann lief sie weiter durch den Wald. Am Rande eines Ackers blieb sie stehen, um zu verschnaufen, und fühlte sich einsam und hilflos. Seit sie die Holzfigur im Speisesaal an sich genommen hatte, krochen lang verschüttete Erinnerungen unter dem Engelshaufen hervor. Während die Vergangenheit sie überwältigte, erinnerte sich Inka, womit alles begonnen hatte: mit dem Tod ihrer Mutter; und eine andere Erinnerung rieselte mit den Schneeflocken auf sie herab: wie sie mit ihrer Mutter Engel in den Schnee gemalt hatte. Sie ließ sich nach hinten fallen und schaufelte wie damals mit Armen und Beinen Schnee zur Seite.

Plötzlich stieß Inka etwas in den Po, den Rücken, die Schultern. Sie erschrak. Was war das: Eine Maus, ein Hase? Sie stand auf und blickte in die Engelsform. Wie eine Hand unter einer Tischdecke tastete sich eine Delle durch den Schnee, verharrte, wuchs aus dem Schnee heraus, neben ihr keimte eine zweite. Aus den Enden sprossen Finger und gruppierten sich zu Händen, die sich spreizten und schlossen und mit kreisenden Bewegungen empor schraubten, bis sich endlich zwei Arme nach Inka streckten. Wo ihr Kopf gelegen hatte, schwoll der Schnee zu einer Kugel, die sich vom Acker löste und nach allen Seiten umzuschauen schien. Die Arme stützen sich an den Seiten ab. Eine Gestalt richtete sich vor Inka auf: Ein Engel aus Schnee mit Flügeln aus Eis. Wo er gelegen hatte, glänzte der Ackerboden...

3
Sep
2007

Augen Auf! - Kostprobe III

... Für mich fühlte es sich an diesem Morgen so an, als sei die Welt aus Legosteinen zusammengesetzt gewesen und alles was von ihr übrig war, waren die roten und blauen und weißen Steine, die auf dem Teppich verstreut waren. Ich schaute Mama in die Augen. Sie glaubte mir nicht. Dann blickte ich zu Paul hinüber, seine Glasaugen strahlten wie immer, aber ich bildete mir ein, dass mein Teddybär mich verstand: Ja, Du hast recht, Benjamin, etwas ist komisch.

"Na, ich glaube, Du hast nur wieder keine Lust zum Fußballspielen", lachte Mama. Sie fühlte meine Stirn. "Fieber hast Du jedenfalls nicht und auch sonst siehst Du pudelwohl aus. Also ab ins Badezimmer!"

Mama war so fröhlich. Dann konnte die Welt also weiter bestehen, auch wenn sie zerbrochen war? Paul nickte...

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