Liebe Leserin, lieber Leser

ich grabe in meinem Bergwerk nach Texten und finde: Nuggets, Kristalle, Edelsteine und viel zu oft Katzengold. An den Fundstücken klebt Schlamm. Sie müssen gewaschen und poliert werden. Das alles mache ich hier nicht.

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15
Okt
2007

Feddersen steht auf

Musste diese verdammte Negerin ausgerechnet um viertel vor sechs kommen. Jeden Tag ging er um die gleiche Zeit nach Hause, Feddersen hatte nicht vor heute eine Ausnahme zu machen, mochte der Fall dieser Schwarzen noch so dringend sein.

"Aber verstehen Sie doch" Die Frau breitete eine Handfläche vor ihm aus. "Meine Tochter wird in ein paar Wochen eingeschult. Ich brauche das Geld. Wie soll ich ihr die Hefte, Bücher und Stifte kaufen."

Feddersen wunderte sich, wie gut die Frau Deutsch sprach. Die meisten der Bimbos nuschelten, dass er sie kaum verstand.

"Ich kann Ihnen nicht helfen."

Langsam richtete er sich vor der Frau auf. Feddersen war groß und Kräftig, in seinem Boxverein nannten sie ihn Bulldoge. Er genoss, wie sich die Frau eingeschüchtert duckte. Er ging um den Schreibtisch herum, zog sie von ihrem Stuhl herunter und schob sie zur Tür heraus. Zufrieden räumte er seinen Schreibtisch auf. Um Punkt 18 Uhr wie an jedem Arbeitstag verließ er das Ausländeramt.

"Pünktlich wie immer, Herr Feddersen", sagte der Pförtner am Eingang. Feddersen nickte antwortete mit einem grimmigen Blick.

Auf der Bank der Haltestelle hockte zu seinem Unmut die Schwarze, die eben seinen Rhythmus gestört hatte. Zum Glück bemerkte sie ihn nicht. Nach einigen Minuten kam der Bus. Wortlos ging Feddersen an Willy Otremba, dem Busfahrer, mit der er für gewöhnlich ein Schwätzchen hielt, vorbei und setzte sich in die letzte Reihe. Die Negerin wählte einen Platz in der Mitte.

Was hatte sie hier zu suchen, fragte er sich, als der Bus los fuhr. Sie gehörte nach Afrika, wo ihre schwarze Haut sie vor der Sonneneinstrahlung schütze. Deutschland war ein weißes Land. Im Grunde verstand er die Frau sogar. In ihrer Heimat herrschte wahrscheinlich Bürgerkrieg oder eine Hungerkatastrophe. Aber was konnte er dafür, dass diese Bimbos ihren Kontinent nicht in Ordnung halten konnten. Warum sollte die deutsche Gesellschaft dafür zahlen? Hatten sie hier nicht genug Probleme? Er fühlte sich in ihrer Nähe nicht wohl, irgendwie schuldig als hätte er etwas gut zu machen.

An der nächsten Haltestelle bestiegen zwei Skinheads in Fliegerjacken und Springerstiefeln den Bus. Feddersen schätze die beiden Männer auf ungefähr zwanzig. Sie stemmten die Hände in die Taschen als warteten sie nur auf eine Gelegenheit zu explodieren. Als der Bus weiter fuhr, entdeckte der kleinere der beiden die Schwarze, die sich in ihren Sitz kauerte und bemühte keine Aufmerksamkeit zu erregen.

"Hey, du Nigger-Fotze!" Er baute sich breitbeinig vor ihr auf und stieß sie mit der Faust an. "Dies ist ein deutscher Bus."

Der andere gesellte sich zu seinem Kameraden.

"Was haste hier zu suchen?" Er entriss ihr den Rucksack, den sie als Schutz gegen die Brust presste. "Willst dir wohl Kosten des Deutschen Volkes einen lauen Lenz machen."

"Lasst mich in Ruh'! Verpisst euch'!", fauchte die Schwarze.

"So spricht du nicht mit einem Deutschen!" Der größere schlug ihr ins Gesicht, dass ihr Kopf gegen die Buswand prallte.

Die Frau blickte sich im Bus. Für einen Moment sah Feddersen ihr in die Augen. Da war wieder dieser Vorwurf, diese Anklage. Die Frau schrie, als ein zweiter Schlag sie traf. Feddersen stand auf. Mit ein paar Schritten durchquerte er den Bus.

"Es reicht!" Er packte den ersten an der Schulter und zog ihn mit einem Ruck zur Seite, dass dieser zu Boden fiel.

"Otremba, halt mal an!", schrie er zum Busfahrer. "Die zwei wollen aussteigen."

Der Fahrer trat auf die Bremse. Die Türen schwangen auf, während der Bus ausrollte. Feddersen packte einen Skinhead, stieß ihn aus dem Bus, zerrte den anderen hinter sich her, warf ihn auf die Straße. Das ganze ging so schnell, dass die beiden Kerle sich nicht wehren konnten. Als sich die Türen des Busses schlossen, überschlug sich der eine auf dem Asphalt, während der andere sich die Wange rieb.

"Alles in Ordnung?"

Die Hand der Schwarzen zitterte, als Feddersen ihr den Rucksack reichte.

"Vielen Dank!"

Feddersen wehrte ihren Dank mit einer Handbewegung ab.

"Kommen Sie morgen wieder. Dann werden wir sehen, was ich für Sie tun kann."

Er nickte dem Busfahrer zu, dann ging er wieder zu seinem Platz in der letzten Reihe. Er spürte die Blicke der andere Fahrgäste.
Wally P. - 19. Okt, 08:40

Liebe Sarah

Das freut mich sehr, dass du deine B3 endlich "im Kasten" hast!
Und du hast es sogar geschafft, dem Herrn Feddersen ein ungewöhnliches Outfit zu verpassen. Meist wird er ja eher als stiller, in sich gekehrter Mensch dargestellt. Aber du hast ihn herrlich unsymphatisch eingeführt, als echt arroganten Kerl - und am Ende entpuppt er sich dann doch als im Grunde lieber Mensch. Klasse "gestrickt"!

Und nun:... mit Volldampf zur B4! ...*lach**Äuglein zwinker*

Lieben Gruß
Wally

sarah.tegtmeier - 20. Okt, 11:00

Hallo Wally,

freut mich, dass dir mein Feddersen gefällt. Ich bin natürlich wieder einmal nicht so begeistert von meiner Geschichte. Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob Feddersens Reaktion im Bus glaubwürdig ist. Am Anfang zeigt sein Verhältnis zu der Schwarzen ausländerfeindliche Tendenzen. Warum hilft er der Frau dann am Ende? Darüber hätte ich gern mehr geschrieben. Aber du kennst ja das Problem: 80 Zeilen.

Für die B4 habe ich schon eine Idee. Ich werde mich als Giftmischerin betätigen.

Ciao!

Sarah
Mamue - 22. Okt, 10:19

Hallo Sarah,

wie ich sehe bist du schon ein ganzes Stück weiter in Belletristik, als ich. *seufz* Gratulation.

Mit gefällt deine Feddersengeschichte. Er kommt am Anfang wunderbar unsympathisch rüber und entpuppt sich am Ende doch als netter Kerl. Ich weiß nicht, ob es notwendig ist, zu erklären, warum er der Farbigen letztendlich hilft. Es kann viele Gründe geben. Vielleicht hat er schon mal in einer ähnlichen Situation nicht gehandelt und ein Mensch musste sterben. Vielleicht aber ist es auch keine Freundlichkeit, sondern der Wunsch für Ordnung in Deutschland zu sorgen. Vielleicht aber ist er auch gar nicht so ein übler Kerl und er hat eigentlich ein Herz für Menschen und hat aus irgendeinem Grund eine Mauer zum Schutz um sich gebaut. Ach, es könnte mir noch mehr einfallen, warum er so handelt. Überlass das doch einfach der Phantasie des Lesers. :-) Obwohl, neugierig wäre ich ja jetzt schon. ;-)

Ich finde diese Geschichte jedenfalls gut gelungen!

Liebe Grüße,
Martina

Wally P. - 23. Okt, 08:57

Hallo Sarah

Ich denke auch, der Leser hat genug Anhaltspunkte um sich Feddersons Reaktion zu erklären!

Für mich, z.B. lag die Erklärung für sein Verhalten klar auf der Hand:
Er ist zwar ausländerfeindlich eingestellt, aber er verabscheut Gewalt.
Als er zusehen muss, wie die Farbige brutal angegangen wird, beginnt er mit "da war wieder dieser Vorwurf, diese Anklage" die Frau auf einmal als Menschen anzusehen, anstatt wie vorher nur als "Akte" in seinem Büro. Sein Gewissen schlägt, seine Vorurteile beginnen zu bröckeln. Und als die Frau den zweiten Schlag versetzt bekommt, steht er entschlossen auf und hilft ihr.
Für mich völlig glaubhaft.

Wie hast du denn für Aufgabenteil b) die Prämisse formuliert?...*neugierig guck*
"Nicht alle über einen Kamm scheren"...käme mir spontan dazu in den Sinn...

Lieben Gruß
Wally

sarah.tegtmeier - 23. Okt, 23:13

Hi Wally,

wow, da hast du ja die Geschichte genau so verstanden wie ich sie gemeint habe.

Nachdem ich die Geschichte fertig hatte, brauchte ich ein paar Tage bis mir eine Formulierung für die Prämisse einfiel. Die hatte ich natürlich schon von an Anfang an im Kopf. Sie entspricht ungefähr deiner Interpretation. Aber mir wollte keine prägnante Formulierung einfallen. Ich habe mich dann für "Sympathie ist keine Voraussetzung für Zivilcourage" entschieden.

Ciao!

Sarah

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