Liebe Leserin, lieber Leser

ich grabe in meinem Bergwerk nach Texten und finde: Nuggets, Kristalle, Edelsteine und viel zu oft Katzengold. An den Fundstücken klebt Schlamm. Sie müssen gewaschen und poliert werden. Das alles mache ich hier nicht.

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Schreibheimat
Gestern kam die neue Ausgabe der TextArt. Auch wenn...
sarah.tegtmeier - 1. Mär, 22:25

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3
Aug
2007

Die alte Maus

Es war einmal eine alte Maus, die hockte am Rand eines Blumenbeetes im Schatten eines Busches. Sie streckte die Nase in die Luft, roch den Sommer, der nun doch noch endlich gekommen war, nachdem es wochenlang nur geregnet hatte. Ein Schmetterling flog an ihrem Versteckt vorbei. Die Sonne stand hoch am Himmel. Sie war froh, dass heute die Sonne schien. Ein schöner Tag dachte sie, so hatte sie es sich immer gewünscht. Sie war eine große fette braune Maus, durch ihr Fell zogen sich nur wenige graue Strähnen. Sie überlegt, ob sie sich jetzt schon in die Sonne legen sollte, sie fühlte in sich hinein. Nein noch war es nicht so weit. Wenn sie jetzt auf den Asphalt legte, wäre die Gefahr, dass sie doch gefressen würde, zu gross. Sie erinnerte sich an ihre Geschwister, alle waren sie längst Beute eines Raubtiers geworden. Die kleine Schwester war gleich am ersten Tag nach ihrer Geburt, als sie sich aus der Höhle trauten, um die Wiese zu erkunden, von einem Fuchs verschlungen wurden. Die Maus seufzte. So war das eben, als Maus. Mäuse sind zum Fressen da. Lautet der erste Satz, den sie von ihrer Mutter gelernt hatte. Der Tod gehörte von Anfang zum Leben dazu. Immer war sie auf der Hut gewesen, hatte vorsichtig geschnuppert und gehorcht, bevor sie sich aus ihrer Höhle wagte. Einmal hatte sie stundenlang im Eingang ihres Loches gehockt, obwohl damals ein noch schöner Sommertag als heute war und obwohl über die Wiese ein verführerischer Duft nach Käse und Speck strömte. Die ganze Zeit starrte sie zum Himmel, ein Mäusebussard kreiste über der Wiese. Sie träumte von dem Käse und dem Speck. Endlich verlor der Raubvogel die Geduld und gleite zu den Wiesen jenseits des Waldes, um dort nach Beute zu spähen. Die Sonne hing inzwischen tief über den Horizont. Dann erst hatte sich die Maus damals herausgetraut aus ihrem Loch.

Die Eingangstür des Bürogebäudes öffnet sich. Die Maus verkroch sich im Gebüsch. Menschen war gefährlich. Von dieser Frau, die über den Hof zu ihrem Wagen ging, hatte die Maus wenig zu befürchten, den die Frau humpelt und zog ein Bein nach. Ihre Schuhe schlurften über den Boden. Ein Geräusch, dass in den empfindlich Ohren der Maus unangenehm war. Trotz ihres Alters war, konnte sie noch immer so gut hören wie als sie noch ein junges Mäuschen war. Nur ihre Beinchen waren nicht mehr so kräftig. Wenn sie über die Wiesen schlich, schmerzten die Gelenke, weshalb sie nur noch selten nach Nahrung suchte. Wenn sie während der letzten Tage hungrig in ihrem Loch eingerollt hatte, betete sie jedes Mal, der Sommer rechtzeitig kommen möge.

Die Frau hatte ihren Wagen erreicht und fuhr davon. Die alte Maus kroch an den Rand des Gebüsches. Sie spürte, dass ihre Zeit gekommen war. Sie spähte zum Himmel: Kein Raubvogel in Sicht, keine Krähe, die sich oft um diese Tageszeit hier herumtrieben. Hunde hatte sie nicht zu fürchten, die kamen erst später am Nachmittag mit den Spaziergänger. Katzen streunten hier selten herum, weil das Bürogebäude abseits der nächsten Siedlung lag. Sie konnte es wagen. Jetzt oder nie! Die alte Maus kroch aus dem Gebüsch hervor. Sie atmetet tief ein, sie spürte einen Stich in der Seite, sie hustete. Langsam kroch sie aus dem Schatten in die Sonne. Ihre Muskeln begannen zu zittern, ihre Kräfte schwanden. Sie streckte die Beine aus, ließ sich auf die warmen Steine sinken. Sie spitzte die Ohren, als sie den Schrei eines Bussards hörte, aber der entfernte sich. Sie schloss die Augen, erinnerte sich an den Duften von Käse, den Geschmack von reifen Erdbeeren, hörte das Laub über ihrer Winterhöhle rascheln. So hatte sich es sich immer gewünscht, im Sonnenschein, einmal tief Luft holte sie Luft, atmete langsam für immer aus.

1
Aug
2007

Nicht genug Geld? Geduld!

Heute hörte ich im Radio auf WDR5 eine Reportage über die Situation des Strafvollzug für Jugendliche in England. Dass ich jetzt darüber schreibe, liegt nicht daran, dass mich die Missstände empören. Ich will nicht schreiben über die Zellen in den Jugendgefängnisse, die hoffnungslos überbelegt sind, nicht über die brutalen Zustände hinter den Gefängnismauer, die Neuankömmlinge dazu zwingen sich von der ersten Sekunde an Respekt zu verschaffen, weil sie ansonsten fertig gemacht werden, nicht über die Wärter, die sich nachts Häftlinge aus den Zellen holen, weil sie sich für Beleidigungen rächen wollen oder einfach nur schlechte Laune haben, nicht über den 16jährigen Asiaten, der mit einem mit weißen Jugendlichen in eine Zelle gesperrt war, der für seinen Rassismus bekannt war und seinen Zellgenossen wenige Stunden vor dessen Entlassung tot geschlagen hat, nicht über den hohen Anteil der jugendlichen Straftäter, die schwerste psychische Störungen haben und eigentlich behandelt denn eingesperrt gehören, darüber will ich nicht schreiben. Ich will darüber schreiben, welches Wort mir zu dem letzten Satz dieser Reportage einfiel. Den letzten Satz sprach eine englische Sozialarbeiterin: "Man könnte so viel machen, aber es ist nicht genug Geld da." Das erste Wort, was mir zu diesem Satz durch den Kopf schoss war: Tsunami.

Der Bargeld-Tsunami lautete vor kurzem der Titel eines Artikels in der ZEIT. In diesem Artikel wird beschrieben und analysiert, dass Welt in Geld schwimmt: Niemals zuvor in der Weltgeschichte wurde so viel Kapital um die Welt geschickt wie gegenwärtig. Auch darüber möchte ich nicht schreiben, denn das können die Autoren der ZEIT viel besser als ich. Wen es interessiert, der möge den Artikel lesen.

Ich schreibe diesen Beitrag, um die englische Sozialarbeiterin und alle anderen, die nicht genug Geld für humanitäre oder ökologische Projekte haben, zu trösten: Habt ein paar Jahre Geduld! Der Bargeld-Tsunami rollt über die Ozeane heran. Hört ihn rauschen! Seht seine riesigen Wogen! Er wird alles fortspülen.

29
Jul
2007

Was ich noch sagen wollte

Als ich vorhin vom Fitness-Studio zurück kam, passierte etwas sonderbares. Ich stieg gerade die Treppen zu dem Haus, in dem ich wohne hinauf, stellte meine Taschen auf den Stufen ab und war froh, wie gut der kurze Weg vom bis hierher geklappt hatte. Nicht einmal hatte ich mich am Geländer fest halten müssen. Ich war die letzten Wochen ziemlich steif gewesen. Manchmal tat mir auch der rechte Fuss weh, wenn ich abends die Schuhe auszog. Ich machte mir auch Sorgen, wie mich meine Katzen begrüßen. Die waren bestimmt ausgehungert, weil länger als geplant im WOF war. Okay, eigentlich kein Grund sich zu sorgen, weil Katzen ja immer vorgeben zu verhungern. In solche Gedanken war ich versunken, während ich nach dem Haustürschlüssel suchte, als hinter am Straßenrand ein Wagen hielt. Als ich aus meinem Wagen gestiegen war, hatte ich keinen anderen bemerkt, der musste also gerade erst die Straße entlang gefahren sein. Vor meinem Haus ist absolutes Halteverbot. Ich überlegte kurz, wer da wohl hinter mir hielt. Wahrscheinlich ein Mitbewohner, dachte ich, oder jemand, der sich nach dem Weg erkundigen will. Der Motor verstummte, eine Autotür wurde zu geschlagen.

"Hallo, entschuldigen Sie!"

Ich war also nicht überrascht, dass mich der Fahrer ansprach. Ich drehte mich um und erblickte einen schlanken Mann, etwa meine Größe, schwarze Haare, Vollbart, etwa 40 Jahre alt. Er war mir unbekannt.

"Ich war am Donnerstag auf der Lousberg-Lesung", begann der Mann.

Am Donnerstag war die Lesung der Autoren der Barrockfabrik im Rahmen der "Leselust am Lousberg" hier in Aachen gewesen. Das Thema lautete "Korrespondenzen". Ich durfte meinen Text "ZEIT-Schnipsel" vortragen.

"Ich wollte Ihnen nur noch mal sagen, dass mir Ihr Text gefallen hat", fuhr er fort.

"Danke!" Ich war so erstaunt, dass ich nicht wusste, was ich ihm antworten sollte.

"Das war sehr lustig, was sie da vorgelesen haben." Er schien mir etwas verlegen zu sein. "Das wollte ich Ihnen nur noch mal sagen."

"Danke, das freut mich", antwortete ich. Ich überlegte, ob ich ihn zu meiner ersten eigenen Lesung im September einladen sollte, tat es dann aber doch nicht, weil ich mich ihm nicht aufdrängen wollte. Das war sicher keine professionelle Reaktion von mir, aber ich bin ja auch kein Profi. Jetzt bereue ich, dass ich die Gelegenheit, Werbung für meine Lesungen zu machen, nicht nutze.

Ich bedanke mich noch einmal bei ihm, lächelte ihn an. Er ging wieder zu seinem Wagen. Ich drehte mich wieder zur Haustür. Als er davon fuhr, betrat ich gerade den Hausflur.

Was war denn das gerade, fragte ich mich, während ich meine Wohnung betrat. Ich konnte es nicht ganz glauben. Da fuhr dieser Mann gegen 19:30 Uhr die Goethestraße entlang. Vielleicht war er auf dem Heimweg, kam wie ich vom Sport oder von einem Tagesausflug zurück. Oder war auf dem Weg zu einer Verabredung mit seiner Freundin, vielleicht wollten sie ins Kino gehen oder ins Theater oder in einem Restaurant essen. Ich weiß nicht, was er vorhatte. Eines bin ich mir aber sicher: Als er in die Goethestraße einbog, dachte er nicht an die Lesung auf dem Lousberg, nicht an meinen Text. Als er an meinem Haus vorbei, blickte er wahrscheinlich nur zufällig in meine Richtung, sah, wie ich gerade die Treppen hinaufstieg, erkannte mich wieder. 'Hey, das ist doch die Frau, die am Donnerstag auf dem Lousberg diesen tollen Text über die ZEIT gelesen hat', so was in der Art schoss ihm durch den Kopf. Dank meines auffälligen Gangbildes ist es nicht schwer, mich wieder zu erkennen, selbst wenn man mich nur von hinten sieht. In diesem Moment muss er das Bedürfnis gehabt haben, mir das zu sagen. Warum? Er überrumpelte mich und machte mich ein bisschen glücklich. Ein cooles Gefühl. Genauso das Gefühl, als mich nach der Lesung die beiden älteren Damen ansprachen. Der Texte habe ihnen sehr gefallen, ob man den Text schon irgendwo kaufen könne?

Nein, kaufen kann man den Text noch nicht.

27
Jul
2007

Ausreden

Irgendwo habe ich letztens gelesen (wahrscheinlich im Newsletter des Autornforum), dass Autoren dazu neigen Ausreden fürs Schreiben zu suchen. Erst recht, wenn sie noch am Anfang ihrer Schreibkarriere stehen. Der dringende Rat war: Wenn man sich als Schriftstellerin betrachtet, dann kommt Schreiben zuerst, dann hat Schreiben absolute Priorität vor allem anderen. Die haben gut reden. Gestern lautet die Frage, nachdem ich zu Abend gegessen hatte: Go oder Schreiben? Ich hatte Lust zu beiden, was mich ein wenig wunderte, war ich doch vor ein paar Monaten kurz davor das Go spielen aufzugeben. Seit über zehn Jahren spiele ich Go und bin erst 4 Kyu. Wenn ich mich wirklich ernsthaft mit Go beschäftigt hätte, müsste ich inzwischen mindestens 3 Dan sein. Aber es gab halt immer Ausreden. Keine gute Prognose für meine Schreibambitionen. Gesten habe ich mich entschieden Go zu spielen und nicht zu schreiben. Die Ausrede war ziemlich schwach: Ich gehe seit Jahren fast jeden Dienstag Go spielen. Wenn ich mich aus der Aachener Gogruppe zurück zöge, schrumpfte der Gotreff weiter, was ich nicht wollte. Das war also gestern eine dieser üblichen schwachen Ausreden.

Die Ausrede für heute war schon ernster. Seit Tagen stapelte sich dreckiges Geschirr in der Küche. Zum Glück besitze ich seit meinem Umzug eine Spülmaschine, sonst müsste ich den ganzen Kram auch noch selber schruppen. Aber in der Spülmaschine stand immer noch das saubere Geschirr vom letzten Spülgang. Die räumt sich leider nicht von selber leer. Also sortierte ich das saubere Geschirr in den Schrank und das dreckige in die Maschine. Dann sah ich mich um und fand die nächste Ausrede: Wenn man nicht jeden Krumen, der beim Brot schneiden anfällt, sofort wegfegt, wenn man nicht jeden Tropfen, der morgends beimUmschütten des Kaffees von der Espressomaschine in die Tasse daneben geht, sofort wegwischt, (wann zum Teufel erfindet endlich jemand die garantiert-nicht-tropfende Kaffeekanne) wenn man zu dem auch noch leere Joghurtbecher und Katzenfutterdosen rumstehen lässt, dann sieht es nach einer Woche in der Küche nach einem solchen Saustall aus, dass ich mich frage, wie eine allein lebende Frau so kurzer Zeit nur so viel Dreck um sich herum verteilen kann.

Als ich mit Aufräumen und Küche sauber machen fertig war, war es halb zehn. Zum Schreiben war ich längst zu müde. Natürlich weiß ich, dass das auch wieder so eine Ausrede ist. Wenn man sich als Schriftstellerin betrachtet, darf man nicht warten, dass man Lust zum Schreiben hat oder dass einen die Muse küsst, man muss einfach schreiben. Die Muse ist ein unzuverlässiges Weib: Nie ist sie da, wenn man sie braucht; und wenn sie sich blicken lässt, dann hat sie meistens Papier und Bleistift vergessen, so dass man sich nichts aufschreiben kann. Und überhaupt: Die Muse! Nach meinen bisherigen Erfahrungen als Frau, würde ich sagen, dass ich eher auf Männer stehe. Einen Kuss von dieser Schnepfe würde ich also höflich ablehnen. Auf einen Kuss von einem Muser, könnte ich erst recht verzichten, der würde nur weitere Ausreden liefern.

Ich setzte mich also auf mein Sofa und griff nach der dritten Ausrede, die mich seit letztem Samstag vom Schreiben abhält: Harry Potter and the Deathly Hallows.

Was lerne ich aus meinen Ausreden: Ich brauche eine Putzfrau, die wenigstens einmal in der Woche gründlich meine Wohnung reinigt, einen Hausdiener, der meine Kleidung und alle die Sachen, die ich rum liegen lassen, an ihren Platz räumt, und einen Gärtner, der meinen Rasen mäht und die Hecken stutzt.

15
Jul
2007

Harun und das Meer der Geschichten

Kurz nachdem ich mit der Lektüre des Buches “Harun und das Meer der Geschichten” 13208067k.jpgbegonnen hatte, bereute ich auch schon, dass ich es als Lektüre für den SdS-Stammtisch vorgeschlagen hatte. Die Handlung erinnerte mich an das Buch das wir davor gelesen hatten. “Mirandas Traum” hatte ich nur unter Qualten gelesen und auch nur, weil die Langweile im Fransziskus-Krankenhaus sonst noch weniger zu ertragen gewesen. Während ich nun das Buch von Salman Rushdie las, verglich ich es oft mit dem Buch von Marianne Eschbach. Es ist sicher ein ungerechtfertigter Vergleich, weil die beiden Bücher zu zwei verschiedenen Kategorien gehören. Rushdie schrieb sein Buch im Versteck, in das er sich in Folge der Fatwa von Khomeini wegen der “Satanischen Verse” flüchten muss, für seinen Sohn. Er verarbeitet darin die Auswirkungen der Fatwa und will seinem Sohn damit einiges erklären. Warum Eschbach ihr Buch geschrieben, habe ich nicht verstanden, auch was sie damit aussagen wollte, erschloss sich mir nicht.

Harun Khalifa lebt mit seinem Vater Rashid Kahlifa in der traurigsten Stadt des Landes Alifbay. Der Vater ist der genialste Geschichtenerzähler des Landes. Eines Tages verläßt Haruns Mutter ihren Mann, weil sie sich von ihm nicht beachtet fühlt. Rashid stürzt das in eine Krise. Als ihn sein Sohn die Schuld daran gibt, dass die Mutter sie verlassen hat, verliert Rashid die Fähigkeit zu erzählen. Nur noch ein Krächzen dringt über seine Lippen, wenn er den Mund öffnet, um zu erzählen. Harun bereut, dass er seinem Vater beschuldigt und nimmt sich vor ihm zu helfen. Gemeinsam reisen sie in das Land K, wo Rashid auf einer Wahlkundgebung eines Polikers sprechen soll, damit die Bewohner des Landes den Politiker wieder wählen. Rashid soll Geschichten mit Happy-End erzählen, nichts ernstes. Am Vorabend der Veranstaltung übernachten Harun und Rashid in einem Hotel auf einer Insel. Harun kann nicht einschlafen, weil er ich Sorgen wegen des Auftritt seines Vater am nächsten Tag macht.

Bis hierhin spielt die Handlung in unserer Zeit. Manche Dinge erschließen sich noch nicht, wirken unmotiviert. Aber mich störte die Lektüre nicht. Ich fragte mich, woran es lag, dass mich die abgedrehten Details nicht störten wie bei der Lektüre von Mirandas Traum. Es konnte nur einen Grund haben: Salman Rushdie kann im Gegensatz zu Marianne Eschbach schreiben. Ich kann allerdings noch nicht sagen, warum sein Schreiben so viel besser ist als das von Frau Eschbach. Wahrscheinlich weil ich beim Lesen Rushdies Situation im Hinterkopf hatte. Dass hier jemand schreibt nicht weil im einfach ein Idee gekommen ist, sondern weil er was mitteilen will, seine Situation beschreiben will. Wie es dazu kam, dass er sich in den Untergrund zurück ziehen musste. Vielleicht war ich auch nur nachsichtiger, weil ich dachte, dass muss ein gutes Buch sein, immerhin ist von Salman Rushdie. Vielleicht hatte Rushdie einen Vorschuss bei mir, weil er ein anerkannter Autor ist, so dass ich ihm einiges gestattet, was ich Marianne Eschbach nicht durchgehen ließ.

Als Harun schlflos in seinem Bett liegt, hört er im Badezimmer Geräusche. Er schaut nach und ertappt einen Wasserdschin, der den Erzählwasseranschluss des Vaters demontiert, weil dessen Abonnement abgelaufen. Mit dem Dschin reist er in das Land Kahani, das der Ursprung aller Geschichten. Dort gerät er in ein Krieg gegen den Kutlmeister des Nachbarlandes Chup, der das Meer Geschichten vergiften will. In Kahani trifft Harun seinen Vater. Gemeinsam gelingt es ihnen den Kultmeister zu besiegen und das Meer der Geschichten zu retten.

Den zweiten Teil fand ich weitaus interessanter, weil ich mehr Bezüge zu Rushdies Konflikt mit den Islamisten entdeckte. Trotzdem gehört es nicht zu den Bücher, den mich nicht sonderlich gefesselt. Über ein Buch zu schreiben, welches mir weder sehr gut gefällt oder welches ich richtig schlecht fand, fällt mir immer noch schwer.

2
Jul
2007

Zwei Katzen, ein Tiger

Nun habe ich also drei Katzen. Zwei Hauskatzen und einen Tiger. Meine schwarzgraugetigerte Mera liegt oben im Kratzbaum und legt sich die Pfoten, meine schwarzgraue Sansa streunt durch die Nachbargärten. Meine Tigerdame liegt auf meinen Schoss. Je länger ich ihr Fell streichle, desto mehr wärmt sie meine Oberschenkel. Ich habe sie vorerst Meggy getauft. Für eine Raubkatze vielleicht ein ungewöhnlicher Name und auch keine fantasievolle Wahl, weil Meggy schon sehr naheliegend war. Meine Meggy ist als Tiger etwas aus der Art geschlagen, denn sie ist ganz weiß ohne irgendwelche schwarzen oder grauen Streifen. Ich hoffe das wird auch so bleiben. Meggys Herz schlägt mit einer Frequenz von 2.16 GHz, in ihrem Gehirn finden 2 GB Platz und ihre Bibliothek umfasst 120 GB. Meggy ist mein neues MacBook von Apple. Seit zwei Woche haben ich es und verbringe seitdem fast jeden Abend damit meiner Raubkatze ihre Geheimnisse zu entlocken.

Hinter mir läuft der Lüfter meines alten PC. Wie klobig der mir vorkommt. Wie riesengross dessen 17 Zoll TFT-Monitor ist im Vergleich zu dem gerade einmal 13 Zoll breitem Auge meine Tigerdame. Als ich mich entschloss ein MacBook zu kaufen, hatte ich erst bedenken, ob mir das kleine Display groß genug ist. Ich hatte mich ja so an meinen alten 17 Zöller gewöhnt. Die Alternative zu dem kleinen MacBook, wäre ein MacBook Pro gewesen, dessen Display 15 Zoll misst, aber das wäre ungefähr 500 Euro teurer gewesen. Meine Bedenken wurden zerstreut, als ich im Gravis-Laden die Bedienung eines MacBooks teste. Es schien für meine Zwecke absolut ausreichend zu sein. Nachdem ich ein paar Tage mit Meggy gearbeitet hatte, machte ich die seltsame Entdeckung, dass mir mein alter Monitor auf einmal zu gross war: so viel verschwendeter, ungenutzter Desktop-Platz!

Normalerweise neige ich nicht zu überschwänglichen Urteilen. Wenn irgendwer eine Bewertung seiner Dienstleistung von mir erbittet, mir ein paar Aussagen vorlegt, zu denen ich in Form von Noten von 1 bis 6 sagen soll, inwieweit ich den Aussagen zustimme, wähle ich eigentlich nie die extremen Noten: Meine Zustimmung quittiere ich höchstens mit einer 2, meine Ablehnung mit einer 5. Das war sogar meinem Therapeuten aufgefallen, als er mit mir die Auswertung des Test durchsprach, den ich damals zu Beginn meiner Therapie ausfüllen musste. Er erklärte mir, dass es zwei Kategorien von Menschen gäbe. Die einen nutzen das gesamte Bewertungsspektrum aus, während die anderen die extremen Bewertungen meiden. Das Programm, mit dem er meine Angaben auswerte, erkenne, zu welcher Kategorie jemand gehört, und skaliere die Ergebnisse dementsprechend.

Bei der Bewertung meines MacBooks und seines Betriebssystems Mac Os X Tiger lege ich meine Zurückhaltung ab: Volle Punktzahl! Ich habe schon mit einigen Betriebsystemen gearbeitet. Angefangen habe ich mit TOS, das auf meinem Atari Mega ST lief. Auf meinem ersten PC liefen über Jahre mehrere Linux-Versionen (SuSE 5.3 - 8.1) und Windows98, später WindowsXp Home Edition parallel zueinander, wobei W98 immer mein Rückfallsystem war, weil ich wusste: Wenn ich etwas unter Linux nicht hinkriegte, dann funktioniert das unter Windows auf jeden Fall ohne Probleme. Troztdem war ich kurz davor nur noch mit Linux zu arbeiten und betrachtete die Windows98-Welt mit Verachtung. Das änderte sich erst, als ich auf meinem zweiten PC die WindowsXP Home Edition installierte. Damit hatte ich eigentlich nie Probleme, mit Linux zwar nicht permanent, aber immer klappte irgendwas nicht, z.B. machte ich die Erfahrung, dass manche KDE-Version neben neuen Feature auch neue oder alte (offensichtliche, aber nicht gefixte) Fehler enthielt. Als dann das Update von SuSE 8.0 auf SuSE 8.2 sich als Katastrophe erwies, hatte ich endgültig genug von Linux und lösche es vollständig von der Festplatte. Ich entwickelte mich sogar zu einer Linux-Hasserin. Wie das eben so ist, wenn Zuneigung in Abneigung umschlägt. Aber auch mit WindowsXP war ich auf die Dauer nicht glücklich. Seltsamer Weise scheint es zu altern: Je länger es auf meinem Rechner lief, desto langsamer wurde es.

Nun also ein MacBook und Mac OS X Tiger. Es ist das beste Betriebssystem, mit dem ich als Privatanwenderin bisher gearbeitet habe. Noch habe ich leichte Probleme wegen des Umstiegs. Einige Windows-Tastaturkombinationen vermisse ich, was daran liegt, dass ich noch nicht die Apple-Variante gefunden habe. Eine Innovation ist das Dashboard, eine Art transparenter Arbeitsplatte, die man per Tastendruck oder Mausklick über dem normalen Desktop einblenden kann, auf dem allerlei Widgets (kleine Hilfsprogramme) liegen. Man kann vom Dashboard aus im Adressbuch suchen, mit Google im Netz recherchieren, in der Wikipedia nachschlagen, SMS per Bluetooth übers Handy verschicken, sich Wetterdaten einblenden lasse und noch viel mehr. Angeblich soll es sogar sehr einfach eigene Widgets zu schreiben.

Am meisten hat mich allerdings Spotlight beeindruckt. So nennt Apple die Suchfunktion, mit der man die gesamten Festplatte des Rechners durchsucht. Wie oft habe ich mich unter Windows durch Verzeichnis geklickt, bis ich endlich die gesuchte Datei gefunden hatte. Mit Spotlight hat das ein Ende. Man tippt einfach ein Teil des Dateinamens ein und noch während der Eingabe listet Spotlight dazu passende Dateien und Verzeichnisse. Boris meinte heute, dass es eine ähnliche Funktionalität von Google für den Windows Desktop gäbe. Dazu kann ich nichts sagen. Die habe ich auf meinem PC nie installiert. Wenn ich mich erst richtig an Spotlight gewöhnt habe, werde ich wahrscheinlich so antiquitierte Tools wie einen Dateimanager nicht mehr benötigen.

Ich bin jetzt also ein Switcher, so nennt die Apple Gemeinde Benutzer, die von Windows auf Max OS umgestiegen sind. Ich fühle mich in der neuen Betriebssystemwelt sehr wohl. Die letzten anderthalb Wochen war ich auf ein kaum zu erklärende Art euphorisch wegen meiner Tigerdame, so sehr dass sich meine Begeisterung kaum allein durch ihren bloßen Erwerb erklären lässt. Für meine zwei Katzen waren wahrscheinlich von der Konkurrentin weniger begeistert, weil ich sie wegen Meggy vernachlässigte.

10
Jun
2007

Shnirele, Perele

"Shnirele, Perele" ist ein jüdisches Volkslied. Zum ersten Mal hörte ich es vor über fünfzehn Jahren auf WDR I. Damals gab es noch kein EinsLive. Die einzeln Sender des WDR waren noch nicht stromlinienförmig durchgestylt. Es gab noch Brüche und Überraschungen im Radio, nicht so wie heute, da jeder Geschmack seinen Spartensender hat und nicht mehr der Gefahr unterliegt etwas entdecken zu müssen. Ich war damals ein treuer Hörer der FlipZeit und der Popsession. Immer lag eine Tape in meinem Kassettendeck, um Titel, die mir gefielen, mit zu schneiden. Internet und Playlists, in denen man Titel und Interpreten hätte nach schlagen können, gab es noch nict. Oft verpasste ich beim Aufnehmen die Ansage des Moderators oder verstand ihn nicht richtig, wenn er Titel und Interpret eines Stück nannte. Aus diesem Grund gewöhnte ich mir irgendwann an, grundsätzlich ganzen Sendungen und nicht nur einzelne Stücke aufzuzeichnen. Dann konnte ich später Stücke, die mir gefielen, herausschneiden und die Ansage des Moderators so oft wiederholen, bis ich sie verstanden hatte. Trotzdem schaffte ich es manchmal nicht Titel und Interpreten zu identifizieren, obwohl ich meinen Mitschnitt mehrmals zurück spulte, um die Angaben des Moderators noch einmal zu hören.

rythm jewsSo ging es mir auch, als ich die Version von "Shnirele, Perele" von The Klezmatics hörte und aufnahm. Es war Allerheiligen und der Moderator hatte ein Programm mit ruhigen, nachdenklichen Songs zusammengestellt, von denen ich noch einige weitere mitschnitt, die ich bis heute nicht alle identifizieren konnte. Die Kassette habe ich noch, inzwischen aber digitalisiert auf meiner Festplatte. Die Version der Klezmatics stammt von ihrer CD "rythm + jews" aus dem Jahr 1990. Das Lied ist für mich sehr wichtig. Ich höre es, wenn ich mich erinnern will. So zum Beispiel, nachdem ich das erste Mal Schindlers Liste mit einem Freund gesehen hatte. Wir standen nach der Vorstellung ziemlich still im Foyer des Kino. Ein paar der Kinobesucher wischten sich Tränen aus den Augen, als sie an uns vorbei gingen. Uns war nicht danach, wie wir es sonst nach einem Kinobesuch immer taten, in einer Kneipe bei eienm Bierchen über den Film zu reden. Wir trennten uns und gingenn jeder für sich nach Hause. Schon während des Heimweg ging mir "Shnirele, Perele" duch den Kopf. Als ich dann wieder in meiner Wohnung war, legte ich die Kassette ein und hörte das Lied, wahrscheinlich sogar mehrmals.

Erst letzes Jahr habe ich "The Klezmatics" im Internet gefunden und dann auch den Titel. Eine sehr schöne, ganz andere Interpretation könnt ihr hier hören: Shnirele, Perele

Heute schreibe ich über das Lied, weil ich bei YouTube ein grandiosen Konzermitschnitt der Klezmatics gefunden habe: The Klezmatics with Joshua Nelson

Um mich zu erinnern, um nicht zu vergessen, darum ist dieses Lied eines meiner Lieblingslieder.

shnirele perele, gildene fon,
mashiekh ben david zizt oybn on.

er halt a bekher in der rekhter hant,
makht a brokhe oyfn gantsn land.
oy omen veomen, dos iz vor,
mashiekh vet kumen hayntiks yor.

vet er kumen zu forn, veln zajn gut yorn.
vet er kumen zu raytn, veln zajn gute zaytn.
vet er kumen zu geyn, veln ale yidn in
erets yisroel aynshteyn.

4
Jun
2007

oberflächlich, arrogant, spießig

Je länger ich über meinen Beitrag von gestern zu den Ausschreitungen in Rostock nachdenke, desto klarer wird, dass es stimmt: Ich war oberflächlich, arrogant, spießig.

Ich war oberflächlich, weil ich versuchte meinen Tagesablauf vom Samstag einzuflechten: Dass ich am Vormittag zur Epilation nach Köln fuhr und abends, nachdem ich gegessen hatte, noch eine Weile in meinem Garten sass - schon erstaunlich wie friedlich es in einem Hinterhofgarten sein kann, während ein paar hundert Kilometer entfernt, Chaoten eine Stadt zertrümmern - dass ich am Samstagabend meine Empörung darüber niederschrieb, wie Christopher Paolini im zweiten Teil seiner Drachensaga Eragons Probleme löst, dass ich zutiefst erschrak, als ich Sonntagmittag endlich ins Netz schaute, fassungslos die Schlagzeile auf Spiegel-Online anstarrte, nicht begreifen oder erklären konnte, wie so etwas passieren konnte. Ich war oberflächlich, weil ich nicht das unverhältnismäßige Vorgehen der Sicherheitsbehörden in den Wochen vor der Demo berücksichtigte, weil ich nicht die Notwendigkeit von Demonstrationen und Aktionen zum G8-Gipfel würdigte, weil ich nicht das Märchen von der bösen Polizei erzählte, die die armen Autonomen zu Gewalt provozierte. Ich war und bin oberflächlich, weil ich solche Gewaltausbrüche nicht rechtfertigen kann.

Ich war arrogant, weil ich über die Autonomen lästerte, weil ich bei der Suche nach Gründen, weshalb sie Schaufensterscheiben einschlugen und Autos in Brand setzten, nicht ihre hehren Ziele berücksichtigte, sondern mir ihre psychologischen Gründe zusammen reimte, die tiefer liegen und die diese Chaoten verdrängen. Ich war arrogant, weil ich nicht bedachte, wie sorgfältig Attac und die anderen Organisationen der Gutmenschen die Demo und die übrigen Kundgebungen vorbereiteten, so gut dass einige der Autonmon in den Zeltlagern der friedlichen Demonstranten übernachten (wurde heute morgen im Radio berichtet). Wie kann ich nur so arrogant sein und nicht einsehen, dass diese Chaoten, nachdem sie sich endlich mal wieder so richtig austoben konnten, sich ihren Schlaf verdient hatten. Wer denkt denn jetzt noch an das eigentliche Problem: Die Welt gerechter zu machen? Alles spricht darüber, wer den ersten Stein geworfen hat und ob die horrenden Sicherheitsvorkehrungen im nachhinein nicht gerechtfertigt sind. Ich war arrogant, weil ich über die Gewalt der Autonomen schrieb und ihnen damit eine Bedeutung einräumte, die sie nicht verdient haben. Ich war und bin arrogant, weil ich weder in meinem gestrigen Beitrag noch heute der wahren Opfer dieser Ausschreitungen gedachte: den Kindern, die in Afrika verhungern, den Menschen, die in Bangladesch absaufen, den Millionen, die in den Slums der dritten Welt von einem Leben, wie ich es führe, nicht einmal zu träumen wagen.

Ich war spießig, weil ich beim Anblick des brennenden Autowracks, vor dem einer der Autonomen posierte, an mein eigenes Auto dachte, das vor dem Haus am Straßenrand steht. Ich war spießig, weil ich mir vorzustellen versuchte, wie ich mich fühlen würde, wenn ein Chaot aus reiner Lust an Krawall meine kleine Micra demoliert. Ich war spießig, weil ich mich in den Besitzer des ausgebrannten Wagens hineinversetzte: Wie wird er sich fühlen? Wie soll er oder sie zur Arbeit kommen oder die Kinder zur Schule oder zum Sport bringen? Ich war spießig, weil ich mich fragte, ob die Versicherung den Schaden ersetzt oder der Besitzer selbst das Geld für einen neuen Wagen zusammen kratzen muss. Ich war spießig, weil ich an die Inhaber der Geschäfte dachte, deren Schaufenster zertrümmert sind und die nun ihre Läden renovieren dürfen. Ob sie das Geld dafür haben? So toll ist ja die Situation des Einzelhandels nicht, erst recht nicht im Osten. Ich war spießig, weil ich, nachdem ich meinen Beitrag geschrieben hatte, wieder in meinen Garten ging, mich am schönen Wetter erfreute und die wuchernden Hecke stutze, während hinter den Häuserfronten, weit weg von meinem kleinen Glück, die Welt dröhnte.

Es stimmt: Ich war und bin oberflächlich, arrogant, spießig.

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