Liebe Leserin, lieber Leser

ich grabe in meinem Bergwerk nach Texten und finde: Nuggets, Kristalle, Edelsteine und viel zu oft Katzengold. An den Fundstücken klebt Schlamm. Sie müssen gewaschen und poliert werden. Das alles mache ich hier nicht.

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26
Mrz
2006

nicht hier, nicht jetzt

Wie aus weiter Ferne fällt das Sonnenlicht durch die verstaubten Scheiben auf den Tisch. Marion legt ihre Hände auf den Lichtfleck, um ihn zu bedecken, aber er schlüpft durch ihre Finger und hockt sich auf ihre Handfläche. Sie bewegt die Hände langsam zur Scheibe und trägt das Licht hinaus. Es ist der falsche Moment, nicht heute, nicht jetzt, vielleicht vor einer Woche, damals hätte sie sich über einen Lichtfleck vor einer Tasse Milchkaffee gefreut.

"Du hörst mir ja gar nicht zu!" Robert schlägt ihre Hände zur Seite. Der Lichtfleck fällt zurück auf den Tisch, ohne einen Riss bekommen zu haben, liegt das Licht wieder vor ihr, nicht einen Sprung, nicht aus Porzellan, nicht wie die Tassen und Teller, die sie in der Küche zerschlagen hatte, als sie und Robert sich am Mittwoch stritten. Licht ist stabiler, sie hatte es vergessen, es fällt von der Sonne herab auf die Erde und zerbricht nicht, wenn es in einem überfüllten Cafe auf einem Tisch aufschlägt.

"Warum sollte ich dir zu hören?" Marion erschreckt, als sie ihre Stimme hört; sie hatte sich vorgenommen ihm schweigend zu zu hören, mittendrin wollte sie aufstehen und ihn sitzen lassen. Fängt es jetzt wieder von vorne an? Nicht hier, während am Nachbartische ein frisch verliebtes Pärchen turtelt, nicht jetzt, während die Bedienung ein volles Tabelett durch die Tische balanciert.

Marion ballt ihre Fäuste um den Lichtfleck, er flutscht zwischen ihren Finger hindurch; Licht ist frei und stur, lässt sich nicht fangen, bleibt wo, es sich nieder gelassen, schert sich nicht um den richtigen Zeitpunkt, mied ihre Wohnung. Sie wärmt die zittrigen Finger an der Tasse, nicht hier, mit einer Hand fasst sie den Henkel an, hebt das Gefäß empor, nicht jetzt, und schleudert Robert den heißen Kaffee ins Gesicht.

"Aa!", schreit er, springt auf und stösst den Tisch um. "Bist du jetzt total verrückt geworden?"

Marion steht auf und geht.

22
Mrz
2006

Parkplatzdieb

Noch bevor ich Dich auf dem Bürgersteig sah, hörte ich Dich: "Scheiße!" Da wussste ich, dass Du kommst. Du tratst aus Richtung Innenstadt in die Aussicht meines Wohnungsfenster. Auf dem Kopf trugst Du eine eine schwarze Schirmmütze mit irgendeiner Aufschrifft, die Dir wahrscheinlich selbst nicht so wichtig war, ein eine schwarze Lederjacke hattest. In der Hand hielst Du eine Plastiktüte oder einen Karton, so genau habe ich das nicht gesehen, darauf stand glaube ich Märklin, weshalb ich dachte, dass Du bei diesem Eisenwarenhändler um die Ecke warst, der auch Zubehör für Modelleisenbahnen verkauft. Du sasst aus wie ein großes Kind, das sich eben ein neues Spielzeug gekauft hatte. Dein Gesicht glich dem eines vollbärtigen Bibers, du warst dick.

Dann schautest Du von der Straße in meine Wohnung. Ob Du vorher auf mich gezeigt oder mir zu gewunken hast, habe ich vergessen. Ich stand vom Tisch auf und ging auf Dich zu. Ich wusste ja, was Du wolltest, ich hatte auf Dich gewartet. Als Du sahst, wie ich gehe, hobst Du beschwichtigend beide Hände.

"Ist das Ihr roter Wagen."

"Ja!"

"Tut mir leid, ich hab' das Schild überhaupt nicht gesehen" Du sagtest das so unschuldig, dass Du mir beinahe Leid tatest. Warum seht Ihr alle das Schild mit Rollstuhl darauf nicht, das mir einen Behindertenparkplatz reserviert. An drei von vier Tagen steht abends, wenn ich von der Arbeit komme an Wagen auf diesem Parkplatz. Auch Deinen Wagen ließ ich abschleppen. Mein Bedauern deswegen hält sich in Grenzen. Ich ärgere mich über das bisschen Beddauern, das ich deswegen empfinde.

"Können Sie mir die Nummer von Abschleppunternehmen geben?"

"Strang, 70 51 30", sagte ich durch das geschlossene Fenster.

Du holtest Dein silbernes Handy hervor, wältest die Nummer. Ich ging zurück zu meinem Abendbrot und beobachtet Dich. Nachdem Du mit Strang telefoniert hattest, blicktest du mich an.

"180 Euro", sagtest Du. Ich zuckte mit den Schultern, Du auch; das war nicht meine Schuld, was sollte ich sonst machen.

Du führtest noch zwei weitere Gespräche, dabei lehntest Du Dich mit dem Rück gegen den Sims. Ich aß weiter. Als ich wieder aufschaute, warst Du verschwunden.

21
Mrz
2006

Frühlingsraben

Langsam wird es Frühling, dachte Norbert, als er den türkischen Schnellimbiss verließ und die Adalbertstraße hinauf schaute. Er blieb noch einen Moment vor dem Schaufenster stehen und pulte mit einem Zahnstocher Reste des Döners aus den Zahnzwischenräumen. Das Fleisch war heute versalzen gewesen. Über ihm flog ein Schwarm Krähen Richtung Innenstadt, ihr Krächzen war so laut, dass es sogar den abendlichen Berufsverkehr übertönte. Ob sie es auch spürte? Er konnte selbst nicht so genaus angeben, warum den Frühling spürte. Es war noch immer kalt. Wenn er morgends aus seiner Küche heraus auf die Straße schaute, mussten die Leute oft noch die Scheiben ihrer Autos frei kratzen, bevor sie zur Arbeit fahren konnten; dabei war gestern schon Frühlingsanfang gewesen. Gestern hatte er das nur als eine Notiz im Kalender und als Meldung in den Nachrichten wahrgenommen, gespürt hatte er den Frühling erst gerade eben und er fragte sich, woran das lag. In den Hosentaschen suchte er nach Zigaretten und Streichhölzer. Er steckte sich eine Malboro an, nahm ein tiefen Zug. Während er zu seiner Wohnung zurückkehrte, beobachtete er den Himmel. Vielleicht glaubte er, dass der Frühling nun endlich käme, weil es noch so helll war? Ein paar Wolken trieben über den dunkelblauen Himmel. Als er das Tor zum Hinterhof seines Hauses aufstieß, spürte er den Frühling so deutlich, als hätte dieser ihm gerade auf die Schulter geklopt. Über der Innenstadt kreisten die Raben, die Luft roch zitronigfrisch.

19
Mrz
2006

Wetterprophet

Er schaute aus dem Fenster, während das Unwetter dicke Tropen gegen das Fenster klatschte. Auf dem Bildschirm seines Computers las er die aktuellten Messdaten der Wettersateliten: Ein Tiefdruckgebiet nach dem andern. Seit Wochen kündigten die Muster der Isobaren immer wieder aufs Neue dieselbe Nachricht an: Regenschauer, Gewitter, Unwetter. Wann würde das eindlich ein Ende haben? Aus den Daten ergabe sich Wettervorhersage für die nächsten Tage ganz eindeutig: Von Westen her näherte sich ein Tiefausläufer in derem Verlauf in Osthälfte der Republik mit ausgiebigen Niederschlägen zu rechnen sei. Mit etwas Glück bliebe die Westhälfte davon verschont, was nichts nützte die Pegel der Flüsse war aufgrund der andauernden Niederschläge schon so hoch, dass egal wo es als nächstes regnen würde, unweigerlich zu einer Flutkatastrophe käme.

"Na, wie sieht's?", Judith steckte den Kopf durch die Tür in sein Büro herein und reichte ihm einen Becher schwarzen Tee mit einem ordeentlichen Schuss Rum.

Er schüttelte den Kopf.

"Hey, so geht das nicht weiter!" Die Praktikantin vom Sender trug ihre rooten Haaren immer zu eienm dicken Zopf geflochten, jetzt zog sie das Gummi aus ihren Haaren und zog ein paar Haarnadeln aus den Strähnen.

"Das wollen die Leute nicht hören!" Sie schüttelte sich die Haare, die wie ein glühender Holzscheit auf ihrem Rücken lagen. Er liebte diese Sekunden, bevor sie ihre Haare wieder zusammen nahm, um einen neuen Zopf zu flechten, wenn einzelne ihrer Strähne, wie Funken um ihren Kopf sprühten. Er nickte, ohne etwas antworten. Was sollte er denn machen, die Zahlen, die die Messstationen lieferten, ließen keine andere Prognose zu.

Judith stellte den Becher neben seine Tastatur, er zuckte mit den Achseln, was sollte er machen, er konnte es doch auch nicht ändern.

"Das geht nicht so weiter! Das kannst du den Leuten nicht antun, nicht schon wieder Regen." Sie breitete ihre Handflächen vor ihm aus. Für einen Moment war er versucht in ihren Linien zu lesen, aber was hätte das geändert, das hätte die Zahlen auf dem Bildschirm auch nicht verändert.

"Wir müssen den Leuten etwas anbieten, sie brauchen Hoffnung. Wer sonst als du sollte sie ihnen geben. Du bist doch hier der Wetterprophet!"

Damit verließ sie sein Büro und stieß die Tür hinter sich zu.

Er blickte wieder auf den Bildschirm. Hinter den Zahlenkolonnen und Satelitenbildler sah schwach sein Spiegelbild. Ihm fiel auf, dass er sich seit Tagen nicht rasiert hatte, die Falte zwischen den Augenbrauen schien tiefer geworden zu sein. Er sah müde aus.

"Du bist doch hier der Wetterprophet", echote Judiths Stimme in seinem Kopf nach. In einem gewissen Sinn hatte sie Recht, aufgrund von physikalischen Gesetzen leitete er aus den Daten und Bilder das Wetter für die nächsten Tagen ab, natürlich war das nur eine Wahrscheinlichkeitsaussage, die er machte. Das behielt er aber immer für sich. Wer würde ihn verstehen, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 54.8% im Osten mit heftigen Niederschlägen zu rechnen sei?

"Du bist doch hier der Wetterprophet!"

Sollte es so einfach sein. Nur mal eben das Modell, das er bisher aus Ausgangspunkt für seine Vorhersagen benutzte gegen ein anderes, weniger etabliertes austauschen, gegen ein neues, das er sich gerade ausdachte, nur um schönes Wetter vorhersagen zu können?

Er schloss den Bericht, den er vor zehn Minuten begonnen hatte, ohne ihn abzuspeichern und öffnete ein neues Dokument. Schönes Wetter also! Schaden konnte es nichts.

"Dem Tiefausläufer folgt eine Warmfront", begann er, für den Anfang nicht schlecht. "die dazu führt, das die Niederschläge ab Mittag im gesamten Bundesgebit abklingen... "

Schönes Wetter, Sonnenschein, vielleicht half das...

17
Mrz
2006

Wieder da!

"Hallo, ich bin wieder da!"
Johanna stieß die Wohnungstür auf und schob den Koffer über die Schwelle. Der alte bekannte Duft der Holzdielen empfing sie. Aber sonst keine Reaktion! Wenn sie früher von einer Reise zurückgekehrt war, war es ihr immer vorgekommen als begrüßte die Wohnung sie freudig. Während Johanna den Schal von ihrem Hals wickelte und den Wollmantel auszog, fühlte sie sich argwöhnisch beobachtet, als erkenne die Wohnung sie nicht wieder. Sie betrachte die Gegenstände, die auf der Kommode lagen, die neben der Eingangstür stand: Vaters schwarze Pfeife, ein Päckchen Taschentücher, einer von Mutters Ringen. Johanna erkannte alles wieder, die Tapete, den wuchtigen Kleiderständer, den ihr Vater voller stolz auf irgendeinem Flohmarkt erstanden hatte, daneben der Wandspiegel. Sie stellte sich davor und betrachte sich eine Zeit, sie erkannte sich wieder, aber irgendwas in dieser Wohnung hatte sich veränderte. War sie vielleicht doch zu lange fortgeblieben? Hätte sie ihre Ankuft ankündigen sollen, damit die Wohnung und die Eltern die Erinnerung an sie aus den dunklen Ecken des Gedächtnisse hervorkrammen konnten?

5
Mrz
2006

-44. Tag

Gestern habe ich Post aus Essen bekommen, endlich der langersehnte Brief. Nun sind es also noch 44 Tage. Oder anders gesagt: Jetzt wird es ernst. Das Spiel ist aus, der Countdown läuft.

Seltsam, dass mir jetzt, da der Termin für die geschlechtsangleichende Operation fest steht, nichts einfällt, was ich schreiben könnte. Wenn ich nicht an den Termin und seine Auswirkungen denke, bin ich ganz ruhig, ja fast leer, aber das ist ja normal, wenn man an nichts besonderes denkt.

Wenn ich an den Termin denke, fange ich erst mal an zu lachen, ungefähr so: "Hihihihi Hihihi Hi", danach singe ich laut, gerade eben z.b "I'm singing in the rain", oder irgendeine andere Melodie. Der Gesang geht dann über in mehr oder weniger artikulierte Jubelschreie. Das alles aber mit nicht viel mehr als Zimmerlautstärke und in für meine Stimme ungewohnten Höhen.

Das heißt nicht, dass ich seit gestern Mittag unkontrolliert vor mich hin jubele. Das Leben geht weiter. Heute habe ich den ganzen Nachmittag nicht daran gedacht, weil ich über der 10. Einsendeaufagabe für mein Fernstudium brütete. Ich hatte gedacht die wäre leicht, kam aber überhaupt nicht voran. Außerdem scheue ich mich davor, meine Freude hier in meiner Wohnung so richitg raus zu lassen. Ich wohne im Erdgeschoss, direkt neben dem Treppenhaus, das ganze Haus würde es hören. Wie laut darf ich schreien, ohne dass meine Katzen Angst vor mir bekommen?

2
Mrz
2006

Porsche

Wie oft schon hatte Frederike neben Lothar in seinem schwarzen Porsche gesessen, wie oft schon hatte sie sich über die liebevolle Art lustig gemacht, mit der er über den Wagen sprach. Jetzt verstand sie ihren Exfreund. Sie hielt das leicht vibrierende Lenkrad fest, während der Motor wie eine Katze schnurrte und die Karosserie die Vibrationen in ihren Körper übertrug. Besser als die hämmernden Beats einer Technoparty. Sie schalte das Radio aus, um dem Raunen des Wagen zu lauschen. Wann Lothar wohl bemerken würde, dass sie anstatt mit ihrem Lupo mit seinem Panther, wie er den Wagen manchmal nannte, davon gefahren war.

Ihr Handy, das auf dem Beifahrersitz lag, klingelt. Auf dem Display stand "Lothar - Handy". Das ging aber schnell. Sie nahm den Anruf entgegen. Lothar fluchte und flehte. Sie hörte ihm einige Minuten zu, dann verzog sich ihr Gesicht zu einer Grimasse und sie schrie: "Fick dich selbst, du Arschloch!" Dann warf sie das Handy hinter sich. Sie lehnte sich in den Sitz und spielte mit Gaspedal. Der tiefverschneite Wald zog an ihr vorbei. In den Baumkronen glitzerte der Morgen. Die Straße führte in einer engen Kurve aus dem Wald hinaus, an deren Ende sie das Gaspedal durchdrückte. Der Panther fauchte und setzte zu einem Sprung heraus aus dem Schatten ins gleißende Licht an, das die schneebedeckten Wiesen ihr wie aus einem Hohlspiegel entgegen warfen. Reflexartig kniff sie die Augen zusammen und drehte den Kopf so heftig zur Seite, dass sie das Steuer herumriss; der Wagen brach aus der Spur aus, rammte die Leitplanke , mit wilden Bewegungen versuchte sie gegen zu lenken, was den Wagen noch mehr ins schleudern brachte. Dann sah sie wie der Baum auf sie zu kam, in Zeitlupe so schien es, sie schrie, der Wagen prallte gegen den Stamm.

externe Anrufe

Wenn mein Telefon klingelt und das Display statt einer Telefonnummer nur "externer Anruf" anzeigt, melde ich mich nur mit einem kurzen "Hallo". Wer mir bei anruft und von seiner Identität nicht wenigstens seine Rufnummer preisgeben will, dem bin ich nicht bereit mitzuteilen, bei wem er stört. Man weiß ja nie, wer da am anderen Ende der Leitung sitzt.

Vor ein paar Wochen hatte ich einen anonymen Anrufer, der rief zwei bis drei Mal am Tag an, einmal sogar mitten in der Nacht, der auch die Rufnummernübermittlung unterdrückt hatte. Wenn ich mich mit "Hallo" meldete, legt er sofort auf, kein Stöhnen, gar nichts. Bei seinem vierten Versuch überlistete ich ihn: Ich nahm einfach nur ab, ohne etwas zu sagen. Der arme Mensch muss so verdutzt gewesen, dass er selbst "Hallo" sagte, worauf ich mit "Hallo" antwortete, ich bin meistens ein höflicher Mensch. Dann fragte er nach einem Namen, der meinem ähnelte. Nachdem ich gesagt, dass der hier nicht wohne, legte er auf. Danach hatte ich noch ein paar Mal "externe Anrufe", ich nahm niemals ab, irgendwann gabe er es auf.

Als heute Nachmittag mein Telefon klingelte und es wieder nur ein "externer Anruf" war, hatte ich den Kerl von vor ein paar Wochen schon vergessen.

"Hallo"

"Spreche ich mit Sarah Teigmeier?" Nein das ist kein Tippfehler, nach diesem Namen fragt die Frau wirklich.

"Ja" Eigentlich hätte ich nein sagen müssen, denn schließlich heiße ich anders, aber dazu war nicht schlagfertig genug, ich ahnte ja bereits wie das Gespräch weiter gehen würde.

"Aber Sarah ist doch ein Frauenname."

"Sie sprechen ja auch mit Frau Sarah Tegtmeier"

"Sie sind doch nicht Frau Tegtmeier, sie sind ihr Mann."

"Doch ich bin Frau Tegtmeier."

Solche Situationen habe ich schon oft erlebt. Meistens sage ich dann etwas in der Art, dass ich nun mal für meine tiefe Stimme nichts könne, ob das ein Problem wäre. Nach der Frage sind die Anrufer in der Regel so eingeschüchtert, dass sie meine Stimme als die von Frau Sarah Tegtmeier akzeptieren.

Heute reagierte ich anders. Aus mir unerfindlichen Gründen begann ich zu lachen. Vielleicht lag es daran, dass mir kurz vorher eine Idee für die "Hyperballad"-Geschichte gekommen war und ich deshalb in einer Hochstimmung war.

"Ich kann leider nichts dafür, dass ich so tiefe Stimmung habe", fuhr ich fort, während ich mein Lachen kaum unterdrücken konnte, was die Frau nur noch mehr irritierte. Obwohl sie sich überzeugen ließ, dass sie tatsächlich mit Frau Tegtmeier spreche, hat sie mir das nicht wirklich abgenommen; ich hatte das Gefühl, dass sie mich für meinen Mann hielt und sich von mir verarscht fühlte. Das nehme ich ihr nocht nicht einmal übel, war ja selbst Schuld, so wie ich vor mich hin prustete.

Irgendwann teilte sie mir dann auch mit, was sie von mir wollte. Ich hätte mal an der SKL-Lotterie teilgenommen und leider nichts gewonnen, jetzt würde ich zu den 100 Ausgewählten gehören, denen sie eine zusätzliche Gewinnchance anbieten könne. Ich hatte keine Interesse. Ob ich den nichts gewinnen wolle, das wäre eine einmalige Gelegenheit. Langsam ging sie mir auf die Nerven.

"Ich habe keine Interesse an Ihrem Angebot und beende deshalb das Gespräch", sagte ich, wieder leicht prustend. Sie gab mir nicht die Gelegenheit das Gespräch zu beenden, sie legte auf, ohne sich zu verabschieden. Ich glaube sie hatte genug von mir.

Im nachhinein wundere ich mich, wie schlecht vorbereitet sie war. Wenn sie wusste, an welchen Lotterien ich erfolglos teilgenommen hatte, hätte sie doch auch meinen richtigen Namen wissen müssen.

Andere "externe Anrufe" lassen sich einfacher abwimmeln. Manche wollen mich unter meinem alten Vornamen sprechen, dann antworte ich: "Der wohnt hier nicht."

"Oh, da liegt wohl ein Irrtum vor", kommt oft als Antwort. "Dann vermerke ich das so. Bitte entschuldigen Sie die Störung. Auf Wiederhören."

27
Feb
2006

Rosenmontag

Als ich am Frühstückstisch saß und mein Müsli aß, ging der Briefträger an meinem Fenster vorbei. Es hat schon seine Vorteile, wenn man im Erdgeschoss wohnt und die Fenster nicht mit Gardinen verhangen hat; man sieht diejenigen, auf die man wartet, kommen, so müssen sie einen nicht erst durch Drücken der Wohnungsklingel daran erinnern, dass man auf sie wartet. Leider brachte der Postbote weder den Brief von Frau Dr. Krege aus Essen, in dem sie mir den Termin für meine geschlechtsangleichende Operation nennt, noch einen von der Techniker Krankenkasse, in dem diese mir mitteilt, dass sie weiterhin die Kosten für meine Nadelepilation übernimmt.

Aber vielleicht hatte ich damit auch zu viel erwartet. Ich hatte mich gewundert, dass die Post heute schon vor neun Uhr kam, normaler Weise kommt sie nicht vor 12 Uhr, aber heute war ja kein normaler Tag, Rosenmontag, Ausnahmezustand in Aachen, das ganze öffentliche Leben steht still, so jedenfalls stelle ich als Karnevalsmuffel es mir vor. Doch soll ich einen Tag der Narren ernst nehmen, der dafür sorgt, dass die Post früher und nicht noch später kommt. Wenigstens fahren in Aachen heute auch kaum Busse, trotzdem reicht das jecke Treiben nicht so weit, dass es meine zukünftige Operateurin oder meine Krankenkasse beeinflussen könnte. Schade eigentlich, dann wäre mir Karneval fast sympathisch.

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