Liebe Leserin, lieber Leser

ich grabe in meinem Bergwerk nach Texten und finde: Nuggets, Kristalle, Edelsteine und viel zu oft Katzengold. An den Fundstücken klebt Schlamm. Sie müssen gewaschen und poliert werden. Das alles mache ich hier nicht.

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3
Nov
2006

Die tote Katze IV

Der klare kalte Blick ihrer Augen taute auf. Hatten ihre Pupillen ihn bisher an Eiszapfen erinnerte, die aus ihrem Gesicht heraus wuchsen und unter deren Schatten einem fast das Herz in den Adern gefrieren konnte, verwandelten sie sich nun, in etwas flüssiges, glasiges. Es schien nicht mehr lang zu dauern und sie bekäme einen Nervenzusammenbruch und sacke zusammen gekauert in den Sessel. Stattdessen sprang sie auf und lief vor ihm im Kreis, kratzte sich hektisch am Kopf und kaute auf den Nägel einer Hand.

„Das kann nicht sein! Das kann einfach nicht sein!“, murmelte sie unentwegt, während sie ihre Runden drehte.

„Was kann nicht sein?“, fragte Zacharias.

Sie hielt vor einem der Bücherregale an, die neben dem Fenster standen, und zog einen Band heraus, blätterte darin als suche sie nach etwas, schien aber nicht fündig zu werden und so schleuderte sie das Buch auf den Boden.

„Sind sie jetzt vollkommen verrückt geworden!“

Nun sprang auch Zacharias aus seinem Sessel auf, um sie daran zu hindern sein Büro zu verwüsten. Schon nach wenigen Schritten hielt er inne. Er fühlte sich hilflos. Die Frau hatte ihre Runde wieder aufgenommen.

„Das kann einfach nicht!“, murmelte sie noch immer und blieb plötzlich stehen, nickte mit dem Kopf, kam auf Zacharias zu und packte ihn an den Schultern. „Er hat es mir gestohlen! Finden Sie ihn! Er muss es haben! So muss es sein! Es kann gar nicht anders sein!“

Sie spuckte die Worte förmlich aus wie eine ungenießbare Frucht, in die sie versehentlich gebissen hatte. Ihr Gesicht war seinem ganz nah, ein paar Tropfen spritzten in Zacharias Augen, während sie sprach.

„Was meinen sie?“, fragte er. „Ich versteh sie nicht.“

Er hatte sich noch immer nicht von ihrem Stimmungswandel erholt. Verglichen mit der Kälte die sie zu Beginn der Unterhaltung verströhmt hatte, schien sie jetzt vor Verzweiflung zu glühen. Er zog in Betracht, dass sie recht haben konnte, dass sie wirklich nicht wusste, wer sie war. Je länger er ihr in die augen blickte desto mehr bemitleidete er sie.

„Der Autofahrer natürlich!“, rief sie. „Wer denn sonst er muss mir mein Geld gestohlen haben, bevor er mich ins Krankenhaus brachte.“

„Das ist vollkommen unmöglich!“, entgegnet Zacharias. „Wieso sollte er das tun.“

„Weil ich genau weiß, dass ich viel Geld bei mir, ein paar hundert Euro waren, da bin ich mir hundertprozentig sicher.“

„Setzen sie sich erst mal wieder hin und beruhigen sie sich!“ Zacharias schob die Frau zurück auf ihren Platz.

„Hören Sie mir zu!“, begann er, als er selbst wieder in seinem Sessel saß. „Der Mann, der sie hierher gebracht hat, hat sie auf gar keinen Fall bestohlen. Wenn es das ist, was sie andeuten wollen.“

„Woher wollen sie das wissen?“, fauchte sie. „Wer weiß, was er sonst noch mit mir angestellt hat.“

„Jetzt hören sie aber auf. Sie wissen ja nicht, was sie da reden.“ Sie machte es ihm schwer ihr zu glauben. Diese ständigen Umschwünge zwischen Angst und Aggression: Waren die ein Zeichen für ihre Amnesie oder fühlte sie sich in die Enge gedrängt, weil er kurz davor ihre Lügengeschichte aufzudecken. „Ein katholischer Priester hat sie gefunden. Er war auf dem Weg zu einer Gemeinde, in der er eine Messe halten sollte, weil der dortige Priester gestorben war. Er hat sogar seine Telefonnummer bei uns hinterlassen für den Fall, dass wir oder die noch Fragen haben sollte.“

„Polizei?“

„Ja, natürlich, was denken sie“ Zacharias lehnte sich in seinem Sessel zurück, langsam spürte er wie seine Souveränität zurück kehrte. „In einem Fall, wie ihrem müssen wir die Polizei verständigen.“

Die nickte mit dem Kopf, die Augen waren weit aufgerisssen. Er zweifelte, dass sie wirklich verstanden hatte, in welcher Lage sie sich befand. Er stutzte wegen dieses Gedanken. Wenn er ihr Unverständnis und Verwirrtheit zu gestand, musste er ihr nicht dann auch die Amnesie abkaufen. Noch immer hielt er es für möglich, dass sie eine gute Schauspielerin war und ihren Auftritt in dieser Unterhaltung nur inszinierte. Er seufzte und schob einen Stapel Akten zurecht, die auf dem Tisch neben ihm lagen.

„Der Mann ist über jeden Zweifel erhaben“, sagte Zacharias. „Also noch einmal: Wie heißen sie?“

„Bitte, sie müssen mir glauben!“, zum ersten Mal während der Unterhaltung klang ihr Flehen ehrlich. „Ich weiß wirklich nicht, wie ich heiße, wer ich bin oder was passiert ist. Ich kann mich an keinen Wald erinnern, an keine Straße und schon gar nicht an einen katholischen Priester.“

Sie machte eine Pause, während der sie aus dem Fenster sonst. Zacharias entschloss sich abzuwarten, wie sie fortfahren würde.

„Das einzige, woran ich mich erinnere ist, dass ich Geld bei mir hatte, viel Geld.“ sagte sie, ohne den Blick vom Fenster zu wenden. „Es steckte in einem Portemonnaie aus Wildleder. Das müssen sie mir glauben!“

„Welchen Grund sollte ich dafür haben?“ Er machte eine ausholenden Handbewegung. „Nach dem Theater, das sie hier gerade aufgeführt haben.“

„Bitte!“

„Ein Portemonnaie aus Wildleder also.“

„Ja!“

Nun blickte er aus dem Fenster, während er überlegte, was er tun sollte. Das beste wäre es, die Frau sofort der Polizei zu übergeben. Irgendetwas stimmte mit ihr nicht, vielleicht war sie sogar in ein Verbrecher verwickelt. Welchen Grund sollte sie sonst gehabt haben, früh morgends durch einen Wald zu rennen.

„Wissen sie was, ich mache ihnen einen Vorschlag. Wir unterbrechen unser Gespräch und setzen es morgen fort. Vorerst werde ich sie nicht an die Polizei übergeben.“

Sie schien erleichtert und lächelte.

„Trotzdem, will ich ihren Namen wissen.“ Er senkte den Kopf und hob beschwichtigend beide Hände, als er sah, dass er sie wieder erschreckt hatte. „Das heißt, ich meine, wie soll ich sie nennen?“

Sie sah ihn verwirrt an.

„Na, ich würde sie ungern nur mir Frau anreden“, sagte er freundlich. „Sagen sie mir einfach einen Namen, irgendeinen Namen, der ihnen gerade einfällt.“

Sie zögerte, dann flüsterte sie aber doch: „Anna.“

„Schön, dann heißen sie also von nun an Anna“ Zacharias rieb sich die Hände, als hätte er ein Problem gelöst, über das er schon lange gebrütet hatte. „Also gut, Anna, ich rufe die Schwester, die führt sie zurück auf ihr Zimmer.“

Die tote Katze III

Die Frau lehnte sich in dem Sessel zurück blickte den Arzt an, der ihr gegenüber saß. Sie hatte die Beinen übereinander geschlagen. Der Saum ihres kurzen Jeansrockes war über das Knie gerutscht. Der Fuß des übergeschlagenen Beines wippte auf und ab. Ihre geblümte kaminrot farbene Bluse sie nicht in den Rock gesteckt, sondern die unteren Enden der beiden Hälfte vor dem Bauch zusammen geknotet. Beide Arme lagen auf den Lehnen ihres Stuhl. Die Fingernägel waren blau lackiert. Sie schien sich nicht sonderlich für ihr gegenüber zu interessieren, weil sie den Kopf in den Nacken legte, so dass ihre langen roten Haaren hinter dem Stuhl fast den Fußboden berührten, und schloss die Augen.

„Wie heißen Sie?“

„Wie oft soll ich ihnen das noch sagen.“ Sie antwortete, ohne ihre Position zu verändern. „Ich weiß es nicht.“

Dr. Julius Zacharias faltete die Hände und bemühte sich so ruhig wie möglich zu bleiben. Er war der Chefarzt der Station, auf der die Frau seit gestern Abend lag.

„Sie scheinen, dass ja nicht sehr ernst zu nehmen.“

„Sie glauben mir nicht.“

„Was würden sie in meiner Situation denken.“ Zacharias war eigentlich Notfallmedizer, mit psychologischen Erkrankungen kannte er sich nicht so aus, und eigentlich interessierten sie ihn auch nicht besonders. „Ich möchte noch einmal zusammenfassen: Vor ein paar Tagen findet ein Autofahrer sie, als sie aus einem Wald heraus ihm um fünf Uhr morgends vor den Wagen rennen. Er kann gerade noch bremsen, bevor er sie über den Haufen fährt. Sie torkeln ein paar Schritte weiter und brechen bewusstlos auf dem Asphalt zusammen. Der gute Mann bringt sie in dieses Krankenhaus. Wir stecken sie erst mal ins Bett, weil sie unterkühlt und durchnäßt sind, was kein Wunder ist, wenn man bedenkt, in welchem Aufzug sie Anfang November durch die Gegend rennen. Nachdem sie fast 36 Stunden geschlafen haben, wachen sie plötzlich auf, steigen aus dem Bett und wollen einfach so davon rennen. Ein paar Pfleger können sie gerade noch aufhalten.“

Zacharias machte eine Pause, um die Wirkung seines Berichtes abzuwarten. Welches Spiel spielte diese Person mit. Litt sie wirklich unter Gedächtnisverlust wie sie vorgab? Es fiel ihm schwer das zu glauben. Sie machte auf ihn ein kühlen und berechnenden Eindruck. Er versuchte sich vorzustellen, wie er sich fühlte, wenn er sich nicht mehr an seinen Namen erinnern konnte, während er ihr provozierendes Schweigen abwartete. In sich spürte er den unwiderstehlichen Drang aufzustehen und dieser Personen ein paar kräftige Ohrfeigen zu geben. Wenn er sicher wäre, dass dies seiner Patientin hülfe, täte er das sicher auch. Er hatte in seiner 30jährigen Karriere schon bittere Pillen verabreicht. Aber er war unsicher, woher der Drang kam sie schlagen zu wollen. Der therapeutische Grund war nur ein Aspekt. Tatsächlich machte die Frau ihm auf einen unheimliche Art Angst. Die Gleichgültigkeit mit der sie die Amnesie hinnahm, machte ihm Angst. Für ihn persönlich wäre es das Schlimmste, wenn er seinen Namen oder sonst etwas über sich vergessen hätte. Ohne Zweifel war diese Angst vor dem Verlust der eigenen Identität normal, und der größte Teil der Bevölkerung teilte sie mit ihm. Wer wäre er denn, wenn er seinen Namen nicht mehr wüsste. Noch nicht einmal ein Niemand, nicht mehr der angesehene Leiter der Notfallchirurgie des Krankenhaus, nicht mehr der Besitzer eines teuren Hauses. Er hätte keinerlei Bedeutung und niemand beachtete ihn. Das war seine größte Angst, Bedeutungslosigkeit, und diese Angst hielt ihm die Frau mit ihrem Verhalten unter die Nase, als wollte sie sagen: „Scheiß auf deinen Wagen, dein Geld, deinen Erfolg! Egal wie viel du davon hast, du bist ein Nichts!“ Er wollte nichts weiter als diese Angst zur Seite zu schlagen.

„Wozu sie bestimmt kein Recht hatten“, sagte die Frau nach einer Weile.

Zacharias brauchte einen Moment, bis er verstand, was sie meinte. Er hatte länger geschwiegen als beabsichtigt hatte.

„Bis auf einige Abschürfungen an Armen und Beinen sind sie unverletzt“, fuhr er fort. „Auch mit ihrem Kopf scheint soweit ich das bis jetzt beurteilen kann, alles in Ordnung zu sein.“

„Dann geben sie mir doch einfach meine Sachen und lassen mich gehen.“ Sie sah ihn jetzt direkt in die Augen. „Ihnen kann es doch egal, ob ich weiß, wer ich bin.“

„Welche Sachen?“

„Na, mein Geld natürlich.“

Ihr Satz ließ Zacharias fast jubeln, jetzt konnte er es ihr zurückzahlen: Sie hatte sich verraten.

„Sie hatten nichts bei sich.“ Er lächelte ein bisschen zu sehr, das wusste er, konnte aber seine Freude nicht unterdrücken. „So wie sie hier vor mir sitzen, hat sie der Fahrer bei uns abgeliefert, mit nicht mehr oder weniger Sachen als sie in diesem Moment an haben.“

Ein Nichts, ein niemand sind sie, dachte er.

„Das kann nicht sein!“, stammelte sie. „Ich ...“

„Wollen sie mir immer noch, weiß machen, sie wüssten ihren Namen nicht?“, triumphierte Zacharias.

„Bitte! Glauben Sie mir!“, flehte sie. „Ich weiß es wirklich nicht!“

Wie sehr sich die Frau von einem Augenblick auf den nächsten verändert hatte, schockierte Zacharias. Ihre Selbstsicherheit, die sie bisher ausgestrahlt hatte, war verschwunden.

Die tote Katze II

Er klopfte die Taschen der Hose und des Jackets ab, die der Mann trug, sie waren leer. Auf dem schweren Schreibtisch, der aus Mahagoniholz war, lag eine schwarze Schreibunterlage, die das Licht einer metallenen Lampe reflektiert. In einem Ringbuch steckte eine Kugelschreiber, so als wollte jemand den Stift als Lesezeichen benutzen. Schröter schlug das Heft an der markierten Stelle auf, fand aber nur eine leere Seite karierten Papiers. Er blätterte durch die Seiten, nichts, alle Seiten waren unbeschrieben, nur die letzte schien herausgerissen worden zu sein. Der Kommissar legte das Heft zurück. Außer der Unterlage befand sich auf dem Schreibtisch nur ein längliche Holzschatulle ohne Deckel, die einige Stifte und ein weißes Plastiklineal enthielt. Schröter öffnete alle Schubladen, die unterste enthielt mehrere Stapel von Briefumschlägen, die zum Teil noch in Folie eingeschweißt waren, in der mittleren lagen Mappen aus Pappe, in den nichts abgeheftet war und Büroklammern, die oberste war voll gestopft mit allerlei Krimskrams: Tintenpatronen, abgefetzte Radiergummis, verbogene Pfeifenreiniger, Tabakdosen, Pfeifen, ein Locher, aus die ausgestanzten Papierschnipsel heraus quollen, Bleistifte, deren Spitze abgebrochen waren, Kugelschreiberminen in den verschiensten Farben. Schröter durchwühlte mehrmals jede Lade des Schreibtisches, weil er nicht glauben wollte, dass er das entscheidende nicht fand. Offensichtlich gehörte dieser Schreibtisch dem Toten, aber nichts auf oder in den Fächern deutete an, dass der Schreibtisch je benutzt worden war: Kein Ordner mit Telefonrechnungen, Kontoauszügen oder sonstiger Belge irgendwelcher finanzieller Transaktionen, keine Schachtel mit Brief von Geschäftspartner oder Freunden, keine Fotos, sei es nun von Frau oder Kind oder von der Katze, keine Zettel mit Notizen zu geführten Telefongesprächen, nicht einmal ein winziger Schnipsel Papier, auf dem auch nur ein Bleistiftstrich, nichts einfach, nichts, nur sterile unbenutzte Bürountensilien.

Was hatte Borger gesagt: „Ich weiß nicht, wie es dir geht. Aber mir scheint hier einiges nicht zu stimmen.“ Der Satz echote in seinem Kopf. Vielleicht hatte Borger ja doch recht. Aber noch war er zu diesem Eingeständnis nicht bereit, denn dann hätte er zu geben müssen, dass Borger, obwohl sie nach ihm am Tatort eingetroffen war, sich sofort zu ihm durch gefragt und höchstens fünf Minuten mit Schröter in dem Raum gewesen, bevor er sie nach oben geschickt hatte, die Situation am Tatort schneller erfasst hatte als er. Diesen Triumpf, auch wenn er ihn nicht offen aussprach, wollte er ihr nicht gönnen, nicht an Allerheiligen, nicht wenn er so müde und schlecht gelaunt.

Er schob die oberste Schublade, die er zum dritten Mall durch sucht hatte, zu und sah sich im Raum um. An der Wand gegenüber dem Fenster, vor dem der Schreibtisch thronte, spannte sich ein Regal mit Büchern auf. Schröter ging um den Tisch herum, und ließ seinen Blick über die Bände gleiten. Er fand überwiegend Belletristik: Gesamtausgaben von Goehte und Schiller, mehrere Gedichtbände, amerikanische Autoren wie Herman Melville, John Steinbeck, William Faulkner. Er brauchte nicht lange um festzusellen, dass er hier eine Bibliothek vor sich hatte, um die er seinen Besitzer beneidete. Am liebsten hätte Schröter die angestaubte Ausgabe von „Krieg und Frieden“ herausgenommen, um darin zu lesen. Aber auch unter den Bücher fand Schröter eben nur Bücher mehr nicht. Je länger er sich in dem Raum umsah, desto unbehaglicher wurde ihm, und er entschloss sich, erst einmal in den Garten zu gehen. Vielleicht fand er da ja Spuren der Anwesenheit einer menschlichen Aktivität.

Er ging auf den Flur und verließ das Haus durch eine Tür, die sich am Ende des Ganges befand. Die kühle, fast kalte Novemberluft, tat ihm gut. Die Nacht hatte es das erste Mal in diesem Herbst gefroren. Raureif überzog den Rasen. Schröter steckte die Hände in die Taschen seines Mantels und stapfte bis zu Mitte der Wiese, dann dreht er sich um.

Das Haus hatte zwei Etage mit jeweils zwei großen Fenstern zum Garten. Neben der Holztür, von der die Farbe abblätterte, wuchs ein halbvertrocknete Tanne bis zu den Giebeln des Daches. Unter den Fenster wucherten Rosensträucher. Der Garten hatte einen quadratischen Grundriss und bestand aus einer kurzgeschnittenen Rasenfläche. Ein Jägerzone grenzte das Grundstück zu den den Nachbarn ab. Schröter schritt die am Zaun entlang bis zu der hinteren Seite des Zaunes, die parallel zum Haus verlief. Hier schloss sich kein Nachbargrundstück an. Hinter dem Zaun viel die Böschung ein paar Meter bis zu einem schmalen Bach ab, dahinter begann der Wald. Schröter wollte gerade zum Haus zurückkehren, als im Gras nahe dem Ufer des Bach ein brauner Gegenstand auffiel. Er kletterte über den Zaun und fluchte, weil er mit dem Mantel an der Spitze einer Holzlatte hängenblieb. Der Untergrund war nass und er musste sich mit den Händen abstützen, als er zum Bach hinunter stieg, um nicht aus zu rutschen. Ein Bad in dem eiskalten Wasser war das letzte, was ihm fehlte. Wenigstens machte die Anstrengung ihn munterer. Er schnaufte, als er sich nach dem Gegenstand bückte. Es war ein Herrenportemonnaie aus Wildleder. Vom Stil her könnte es zum dem Toten passen, dachte Schröter, als er es von allen Seiten betrachte. Er klappte es auf, und nachdem er es durchsucht hatte, war er noch nicht einmal sonderlich erstaunt über das, was fand. In einem der Fächer steckten Hunderter und Fünfziger Euroscheine, die vollkommen durch näßt waren, insgesamt hielt Schröter abgesehen von ein wenig Münzgeld 850 Euro in der Hand, mehr fand er nicht. Nur Geld enthielt das Portemonnaie, aber keinen Personalausweis, keine Versichtenkarte einer Krankenkasse, keine Kredit- oder Mitgliedskarten für einen Fitnessclub oder eine öffentliche Bibliothek.

Ungläubig blickte Schröter in beide Richtungen den Bach entlang und zum Wald hinüber. Im Gras und im Morast des jenseitigen Ufer des Baches entdeckte er keine Fußspuren. Er erinnerte sich, dass in der Nacht in Strömen geregnet hatte. Er hatte es bemerkt, als er gegen drei Uhr aufwachte, um auf Toilette zu gehen. Erst als in seinen Wagen gestiegen war, um hierher zu fahren, hatte der Regen nachgelassen. Er steckte das Portemonnaie in eine Manteltasche, kletterte die Böschung hoch, über den Zaun und ging zurück.

„Habt ihr irgendwas gefunden?“, fragte er die Beamten, denen er im Flur begegnete. „Ich mein, was persönliches?“

Die Männer schüttelten mit den Köpfen.

„Du brauchst mir gar nichts sagen?“, blaffte er Borger an, als er sie auf der Treppe zur ersten Etage traf. „Du hast nichts gefunden.“

„Schlimmer!“, antwortete sie und schien noch ratloser zu sein als er, was Schröters Stimmung etwas erhellte.

„Was soll denn schlimmer sein als nichts?“

„Eben nichts, gar nichts, nothing!“ Borger breitete die Arme vor sich aus und schlug sich mit beiden Händen auf die Oberschenkel.

„Was so eigentlich auch nicht stimmt“ Sie wischte sich mit einer Hand Strähnen ihrer Haare aus dem Gesicht.

„Ja, was denn nun“, bohrte Schröter. „Nichts oder doch was?“

„In einem der Zimmer hängen einige Gemälde, die nach meinen bescheidenen Wissen von moderner Kunst einen nicht geringen Wert haben“

Sie stieg die wieder die Treppe hinauf, Borger folgte ihr ins Schlafzimmer.

„Der Tresor hier in der Wand war offen, als ich hereinkam.“ Sie griff hinein und zeigte Schröter ein Päckchen. „Da liegen ein paar tausend Euro drin.“

Borger ging zu einem Kleiderschrank und schlug dessen Tür zur Seite.

„Aber die Schränke sind alle leer. Nicht ein Kleidungsstück, nicht einmal einen Schnürsenkel findest du darin!“

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