Liebe Leserin, lieber Leser

ich grabe in meinem Bergwerk nach Texten und finde: Nuggets, Kristalle, Edelsteine und viel zu oft Katzengold. An den Fundstücken klebt Schlamm. Sie müssen gewaschen und poliert werden. Das alles mache ich hier nicht.

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3
Nov
2006

Die tote Katze II

Er klopfte die Taschen der Hose und des Jackets ab, die der Mann trug, sie waren leer. Auf dem schweren Schreibtisch, der aus Mahagoniholz war, lag eine schwarze Schreibunterlage, die das Licht einer metallenen Lampe reflektiert. In einem Ringbuch steckte eine Kugelschreiber, so als wollte jemand den Stift als Lesezeichen benutzen. Schröter schlug das Heft an der markierten Stelle auf, fand aber nur eine leere Seite karierten Papiers. Er blätterte durch die Seiten, nichts, alle Seiten waren unbeschrieben, nur die letzte schien herausgerissen worden zu sein. Der Kommissar legte das Heft zurück. Außer der Unterlage befand sich auf dem Schreibtisch nur ein längliche Holzschatulle ohne Deckel, die einige Stifte und ein weißes Plastiklineal enthielt. Schröter öffnete alle Schubladen, die unterste enthielt mehrere Stapel von Briefumschlägen, die zum Teil noch in Folie eingeschweißt waren, in der mittleren lagen Mappen aus Pappe, in den nichts abgeheftet war und Büroklammern, die oberste war voll gestopft mit allerlei Krimskrams: Tintenpatronen, abgefetzte Radiergummis, verbogene Pfeifenreiniger, Tabakdosen, Pfeifen, ein Locher, aus die ausgestanzten Papierschnipsel heraus quollen, Bleistifte, deren Spitze abgebrochen waren, Kugelschreiberminen in den verschiensten Farben. Schröter durchwühlte mehrmals jede Lade des Schreibtisches, weil er nicht glauben wollte, dass er das entscheidende nicht fand. Offensichtlich gehörte dieser Schreibtisch dem Toten, aber nichts auf oder in den Fächern deutete an, dass der Schreibtisch je benutzt worden war: Kein Ordner mit Telefonrechnungen, Kontoauszügen oder sonstiger Belge irgendwelcher finanzieller Transaktionen, keine Schachtel mit Brief von Geschäftspartner oder Freunden, keine Fotos, sei es nun von Frau oder Kind oder von der Katze, keine Zettel mit Notizen zu geführten Telefongesprächen, nicht einmal ein winziger Schnipsel Papier, auf dem auch nur ein Bleistiftstrich, nichts einfach, nichts, nur sterile unbenutzte Bürountensilien.

Was hatte Borger gesagt: „Ich weiß nicht, wie es dir geht. Aber mir scheint hier einiges nicht zu stimmen.“ Der Satz echote in seinem Kopf. Vielleicht hatte Borger ja doch recht. Aber noch war er zu diesem Eingeständnis nicht bereit, denn dann hätte er zu geben müssen, dass Borger, obwohl sie nach ihm am Tatort eingetroffen war, sich sofort zu ihm durch gefragt und höchstens fünf Minuten mit Schröter in dem Raum gewesen, bevor er sie nach oben geschickt hatte, die Situation am Tatort schneller erfasst hatte als er. Diesen Triumpf, auch wenn er ihn nicht offen aussprach, wollte er ihr nicht gönnen, nicht an Allerheiligen, nicht wenn er so müde und schlecht gelaunt.

Er schob die oberste Schublade, die er zum dritten Mall durch sucht hatte, zu und sah sich im Raum um. An der Wand gegenüber dem Fenster, vor dem der Schreibtisch thronte, spannte sich ein Regal mit Büchern auf. Schröter ging um den Tisch herum, und ließ seinen Blick über die Bände gleiten. Er fand überwiegend Belletristik: Gesamtausgaben von Goehte und Schiller, mehrere Gedichtbände, amerikanische Autoren wie Herman Melville, John Steinbeck, William Faulkner. Er brauchte nicht lange um festzusellen, dass er hier eine Bibliothek vor sich hatte, um die er seinen Besitzer beneidete. Am liebsten hätte Schröter die angestaubte Ausgabe von „Krieg und Frieden“ herausgenommen, um darin zu lesen. Aber auch unter den Bücher fand Schröter eben nur Bücher mehr nicht. Je länger er sich in dem Raum umsah, desto unbehaglicher wurde ihm, und er entschloss sich, erst einmal in den Garten zu gehen. Vielleicht fand er da ja Spuren der Anwesenheit einer menschlichen Aktivität.

Er ging auf den Flur und verließ das Haus durch eine Tür, die sich am Ende des Ganges befand. Die kühle, fast kalte Novemberluft, tat ihm gut. Die Nacht hatte es das erste Mal in diesem Herbst gefroren. Raureif überzog den Rasen. Schröter steckte die Hände in die Taschen seines Mantels und stapfte bis zu Mitte der Wiese, dann dreht er sich um.

Das Haus hatte zwei Etage mit jeweils zwei großen Fenstern zum Garten. Neben der Holztür, von der die Farbe abblätterte, wuchs ein halbvertrocknete Tanne bis zu den Giebeln des Daches. Unter den Fenster wucherten Rosensträucher. Der Garten hatte einen quadratischen Grundriss und bestand aus einer kurzgeschnittenen Rasenfläche. Ein Jägerzone grenzte das Grundstück zu den den Nachbarn ab. Schröter schritt die am Zaun entlang bis zu der hinteren Seite des Zaunes, die parallel zum Haus verlief. Hier schloss sich kein Nachbargrundstück an. Hinter dem Zaun viel die Böschung ein paar Meter bis zu einem schmalen Bach ab, dahinter begann der Wald. Schröter wollte gerade zum Haus zurückkehren, als im Gras nahe dem Ufer des Bach ein brauner Gegenstand auffiel. Er kletterte über den Zaun und fluchte, weil er mit dem Mantel an der Spitze einer Holzlatte hängenblieb. Der Untergrund war nass und er musste sich mit den Händen abstützen, als er zum Bach hinunter stieg, um nicht aus zu rutschen. Ein Bad in dem eiskalten Wasser war das letzte, was ihm fehlte. Wenigstens machte die Anstrengung ihn munterer. Er schnaufte, als er sich nach dem Gegenstand bückte. Es war ein Herrenportemonnaie aus Wildleder. Vom Stil her könnte es zum dem Toten passen, dachte Schröter, als er es von allen Seiten betrachte. Er klappte es auf, und nachdem er es durchsucht hatte, war er noch nicht einmal sonderlich erstaunt über das, was fand. In einem der Fächer steckten Hunderter und Fünfziger Euroscheine, die vollkommen durch näßt waren, insgesamt hielt Schröter abgesehen von ein wenig Münzgeld 850 Euro in der Hand, mehr fand er nicht. Nur Geld enthielt das Portemonnaie, aber keinen Personalausweis, keine Versichtenkarte einer Krankenkasse, keine Kredit- oder Mitgliedskarten für einen Fitnessclub oder eine öffentliche Bibliothek.

Ungläubig blickte Schröter in beide Richtungen den Bach entlang und zum Wald hinüber. Im Gras und im Morast des jenseitigen Ufer des Baches entdeckte er keine Fußspuren. Er erinnerte sich, dass in der Nacht in Strömen geregnet hatte. Er hatte es bemerkt, als er gegen drei Uhr aufwachte, um auf Toilette zu gehen. Erst als in seinen Wagen gestiegen war, um hierher zu fahren, hatte der Regen nachgelassen. Er steckte das Portemonnaie in eine Manteltasche, kletterte die Böschung hoch, über den Zaun und ging zurück.

„Habt ihr irgendwas gefunden?“, fragte er die Beamten, denen er im Flur begegnete. „Ich mein, was persönliches?“

Die Männer schüttelten mit den Köpfen.

„Du brauchst mir gar nichts sagen?“, blaffte er Borger an, als er sie auf der Treppe zur ersten Etage traf. „Du hast nichts gefunden.“

„Schlimmer!“, antwortete sie und schien noch ratloser zu sein als er, was Schröters Stimmung etwas erhellte.

„Was soll denn schlimmer sein als nichts?“

„Eben nichts, gar nichts, nothing!“ Borger breitete die Arme vor sich aus und schlug sich mit beiden Händen auf die Oberschenkel.

„Was so eigentlich auch nicht stimmt“ Sie wischte sich mit einer Hand Strähnen ihrer Haare aus dem Gesicht.

„Ja, was denn nun“, bohrte Schröter. „Nichts oder doch was?“

„In einem der Zimmer hängen einige Gemälde, die nach meinen bescheidenen Wissen von moderner Kunst einen nicht geringen Wert haben“

Sie stieg die wieder die Treppe hinauf, Borger folgte ihr ins Schlafzimmer.

„Der Tresor hier in der Wand war offen, als ich hereinkam.“ Sie griff hinein und zeigte Schröter ein Päckchen. „Da liegen ein paar tausend Euro drin.“

Borger ging zu einem Kleiderschrank und schlug dessen Tür zur Seite.

„Aber die Schränke sind alle leer. Nicht ein Kleidungsstück, nicht einmal einen Schnürsenkel findest du darin!“

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