Liebe Leserin, lieber Leser

ich grabe in meinem Bergwerk nach Texten und finde: Nuggets, Kristalle, Edelsteine und viel zu oft Katzengold. An den Fundstücken klebt Schlamm. Sie müssen gewaschen und poliert werden. Das alles mache ich hier nicht.

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Das Streben nach Angst
Seit Jahren gibt es eine Weisheit unter Werbestrategen:...
sarah.tegtmeier - 5. Apr, 22:47
Sinkflug
Er verlässt seinen Platz, seinen Arbeitsplatz, ohne...
sarah.tegtmeier - 7. Mai, 22:24
Liebe Sarah, manche Passagen...
Liebe Sarah, manche Passagen aus deinem Text fühlen...
Wally (Gast) - 9. Mär, 13:12
Ohne Zweifel von außen,
auch ohne Selbstzweifel wird man nicht besser, oder? Vielleicht...
HARFIM - 2. Mär, 00:10
Schreibheimat
Gestern kam die neue Ausgabe der TextArt. Auch wenn...
sarah.tegtmeier - 1. Mär, 22:25

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1
Nov
2005

Wut

Es war ein sonniger Oktobertag, für den Monat ungewöhnlich mild, fast zwanzig Grad. Martha setzte sich auf eine Parkbank. Was für ein herrlicher Tag! Sie blinzelte in die Sonne und lauschte dem Rauschen des Windes in den Bäumen, das so laut war, dass es den Verkehrslärm des Alleenring übertönte. Martha wünschte, das Rauschen möge noch lauter werden, so laut das sie ihre Gedanken nicht mehr hören konnte. Eigentlich hatte sie gute Laune. Heute war Feiertag, sie hatte lange geschlafen, gefrühstückt, Zeitung gelesen, ein bisschen Schreibkram erledigt und hatte sich trotz des schönen Wetters mit "Das Wüten der ganzen Welt" in ihre Leseecke verkriechen wollen. Dann hatten ihre Gedanken begonnen zu flüstern, erst kaum hörbar, hatten gemurmelt wie ärgerliche Hexen, geschimpft wie betrogene Händler, jetzt schrien und tobten sie, als hätte der Titel des Romans sie aus ihrem Schlummer geweckt. Sie war aus der Wohnung an die frische Luft geflüchtet, wollte atmen, hoffte, dass der Herbstwind ihre Gedanken mit sich forttrüge wie das Laub, das er vor sich hertrieb. Marthas Wut blieb, trotze dem Wind und dem Sonnenschein. Warum war sie so wütend auf Anja? Warum ausgerechnet heute? Ihre Gedanken waren wie Pitbull-Terrier, die jemand in einer Grube eingesperrt hatte und sich gegenseitig zerfleischten: Sie stand am Rand dieser Grube und konnte sich nicht abwenden, obwohl der Anblick sie ekelte.

29
Okt
2005

Feuer

Im Treppenhaus rannten Hausbewohner hinuter. Jemand schlug immer wieder gegen ihre Wohnungstür.

„Frau Claaßen machen Sie auf! Hallo! Hallo!“

Martha glaubte die Stimme ihres Nachbarn zu erkennen, war sich aber nicht sicher. Sie tastete im Dunkel nach der Nachttischlampe und knipste sie an. Dabei stieß sie das Päckchen mit den Schlaftabletten herunter. Sie hatte erst vor fünf Minuten drei davon genommen. Die Kopfschmerzen dröhnte in ihrem Kopf. Warum bat ihr Nachbar sie mitten in der Nacht um Feuer, er war doch Nichtraucher. Marthas Gedanken verschwommen, sie konnte kaum die Augen offen. Nein, es musste etwas anderes bedeuten: Feuer! Feuer! Es brannte! Wo in ihrem Haus? In ihrer Wohnung? Sie sank zurück auf das Kopfkissen. „Du musst aufwachen! Du musst aufstehen!“, befahl eine Stimme in ihrem. Sie nickte zustimmend, hob den Kopf und setzte sich in ihrem Bett auf. Durch die Gardinen sah ein rotierendes Blaulicht. Sie schwankte, stützte sich mit den Händen ab und versuchte aufzustehen.

„Frau Claaßen! Hallo! Es brennt! Machen Sie auf!“

Sie stand auf, wankte zur Schlafzimmertür. Es roch nach Rauch, Qualm biss in ihren Augen. Vor ihrer Wohnungstür hörte sie ein Wirrwarr von Stimmen, ihr Nachbar schien nicht mehr darunter sein. Die Wohnungstür vibrierte, als sich jemand von aus dagegen.

„Das hat keinen Zweck!“, rief ein Mann. „Gib mir die Axt!“

Ein Schlag traf die Tür, das Holz splittert, eine Klinge bohrte sich hindurch, ein Schein das Lichts im Treppenhaus fiel durch den Spalt. Der Mann drosch weiter auf die Tür ein, nach einigen Schlägen zwängte er sich durch das Loch. Martha schleppte sich ihm entgegen, warf sich ihm um den Hals und schlief ein.

27
Okt
2005

Scherben

„Wie kannst du es wagen dir ein Urteil über mein Leben zu erlauben!“

Katharina scheuerte Heiko eine, er wich einen Schritt und stieß mit dem Kopf gegen die Küchentür. Seine Schwester griff nach einem Kaffeebecher, holte aus als wollte sie ihn damit bewerfen.

„Du kommst hier einfach. Hast dich jahrelang nicht blicken lassen. Hast überhaupt keine Ahnung, wie ich mich hier täglich abrackere“

Die Hand, in der sie die Tasse hält sinkt herab, langsam, schwebt fast wie trockenes Laub, sie sinkt zurück in den Stuhl, aus dem sie aufgesprungen war, die Tasse zerschellt auf dem, Scherben sprizten durch die Küche. Ein paar treffen Heiko im Gesicht, er rührt sich nicht.

„Keine Ahnung hast du!“ Flüstert sie und starrt auf die Scherben. „Ich soll nicht jammern, sagst du, ich könnte heulen.“

Erst jetzt sieht sich in der Küche. Der Wutausbruch seiner Schwester hat ihn überrascht. Sie könnte sich mal wieder die Haare waschen, so fettig wie die sind. In der Spüle türmt sich dreckiges Geschirr. Aus einem Topf auf dem Herd dringt ein gammliger Geruch. Abrackern, tut sie sich, hat sie gesagt; warum verwandelt sich die Küche dann langsam in eine Müllhaufen. Wenigstens den Abwasch könnte sie machen.

„Um fünf stehe ich auf“, flüstert sie, „dann mache ich mir einen Kaffee, ziehe meine Arbeitsuniform an, und setze mein freundliches Lächeln, dann gehe ich in den Laden. Wenn ich abends nach Hause komme bin ich vom lächeln so erschöpft, dass ich kaum mehr sprechen kann.“

Er reibt sich die Wange. So schlimm kann das nun wirklich nicht sein. In einem Schnellimbiss arbeit, so schwer kann das nicht sein. Die Leute fragen, was sie wollen und es ihnen servieren. Das soll anstregend sein?

26
Okt
2005

grau

Jeden Morgen ab acht Uhr sitzt auf einer der Bänke im Bushof ein ungefähr 50-jähriger Mann, nicht groß, untersetzt, die kleinen Augen gucken unter buschigen Augenbrauen hervor, ein grauer Vollbart wuchert über das Gesicht. Alle paar Wochen hat er einen frischen Haarschnitt, manchmal hat er auch von einem auf den anderen Tag seinen Bart gestutzt. Seine Kleidung ist sauber. Die Jeans hat keine Löcher. Wenn man dicht an ihm vorübergeht, riecht man ihn nicht: Er pflegt sich. Er neigt den Kopf ein wenig nach vorn, die Hände ruhen im Schoss, der Rücken gebeugt, die Schulter hängen herab. Sein Blick folgt den Fahrgästen, die auf ihren Bus zur Arbeit oder zum Einkauf warten. Diejenigen, die jeden Morgen denselben Bus nehmen, kennen ihn, nehmen ihn aber kaum wahr. Er selbst steigt nicht in einen Bushof ein. Er sitzt einfach nur jeden Morgen in der Nähe zum Durchgang zur Peterstraße, manchmal steht er auch neben der Treppe, dann hat er die Hände tief in die Hosentaschen gesteckt und beäugt die Wartenden. In seinen Augen findet man keine Agression oder Verzweiflung. Einmal grüsste ihn ein Busfahrer der zu seinem Wagen eilte. Der Mann lächelte und grüsste zurück.

Seit über einem Jahr beobachte ich diesen Mann, wenn ich morgends auf die 36 warte. Anfangs hielt ich ihn für einen Obdachlosen, was aber nicht sein, dafür ist seine Kleidung zu sauber und er selbst zu gepflegt. Worauf wartet der Mann? Was treibt ihn jeden Morgen in den Bushof? Woher kommt er? Wo schläft? Ich kenne andere Gesichter, die mit mir in denselben Bus steigen, die wie ich zur Arbeit fahren, bei denen frage ich mich nicht, warum sie immer wieder in den Bushof kommen. Auf dem Weg zur Haltestelle frage ich mich manchmal, ob er heute wieder da sein wird. Sobald der Bus losfährt, vergesse ich den Mann, den ganzen Tag denke nicht an ihn, bis zum nächsten Morgen.

21
Okt
2005

Diana

Der Wecker klingelt. Diana zieht die Bettdecke über den Kopf und dreht sich zur Wand. Blödes Monster, denkt sie, kannst du mich nicht schlafen lassen. Sie hält sich die Ohren zu. Endlich nach fünf Minuten verstummt der Wecker. Sie blickt auf das Zifferblatt: 13 Uhr. Wieso um Himmels hat das blöde Teil geklingelt? Wer hat die Weckfunktion aktiviert? Durch die Gardinen scheint die Sonne ins Zimmer. Auf dem Schreibtisch liegt das Bewerbuntsschreiben, das sie gestern Abend geschrieben hat. Sie springt aus dem Bett und zerreißt den Brief. Ist doch alles sinnlos! War ein blöder Job, wer will schon Aushandelskaufmann werden? Sie bestimmt nicht. Sie läßt sich zurück auf das Bett fallen.
„Hallo“ Ihre Mutter klopft an der Tür. „Steh endlich auf! Ich bin's satt, dass du jeden Tag bis in den Nachmittag pennst! Kümmer dich endlich um einen Ausbildungsplatz“
Ausbildungsplatz, Bewerbungen, so geht das jetzt jeden Tag, seit Dianas Onkel vor einer Woche zu Besuch war. Was har er der Mutter erzählt? Warum hat er seine Schwester gegen Diana aufgebracht? Was geht es ihn an, ob sie einen Ausbildungsplatz hat oder nicht. Ist doch eh alles egal. Und überhaupt Ausbildungsplatz, wie sich das schon anhört.

16
Okt
2005

Schlieren

Wie lange wirst du
für den Artikel brauchen”, der Redakteur blickte über ihre Schulter. Sein Blick
verriet, dass er nicht damit rechnet, dass sie den Artikel heute noch
beenden.

Bis zum
Redaktionsschluss ist er fertig”

Das sind aber nur
noch zwei Stunden” Er zog die Augenbrauen zusammen. „Und du hast erst einen
Absatz geschrieben. Drei Spalten sollte ich dir reservieren. Und
nun?”

Ehrlich, ich habe
genut Stoff für den Artikel” Sie deutete auf einen Stapel Papier, der sich neben
ihrer Tastatur auftürmte. „Hier ist das Konzepte, da die Faktensammlung, die
Beispiele.”

Okay eine letzte
Chance gebe ich dir” Er beugte sich nach vorn über, klopfte mit einem Daumen auf
den Schreibtisch. „In einer Stunde komme ich wieder, dann will ich mindestens
fünf Absätze sehen. Wenn nicht fliegst du!”

Er drehte sich um
und verschwand in seinem Büro. Sie war froh in erst einmal los zu sein. Der
Monitor flimmerte weiß, graue Schlieren spülten über den TFT-Bildschirm. Dabei
sollten die doch so unglaublich scharf sein, gut für die Augen, kaum
Ermüdungserscheinungen, auch wenn man schon stundenlang davor gehockt hatte. Sie
drückte auf einen Knopf, um die Autosynchronisation zu starten, wartete ein paar
Sekunden, die Schlieren blieben, wanderten wie Amöben über die geöffneten
Fenster. Sie lehnte sich zurück. Was wen mit dem Bildschirm alles in Ordnung
war? Wenn es an ihr lag, dass sie keinen vernünftigen Satz schreiben konnte.
Ihre Augen brannten. Sie ihre Brille ab, lehnte sich zurück, rieb sich die
brennenden Augen. Je länger sie auf die Schlieren starrte, ihre Finger auf der
Tastatur lagen, ohne einen Buchstaben zu drücken, desto sicherer wusste sie,
dass sie heute keinen Absatz mehr schreiben würde, nicht einmal einen Satz oder
ein Wort nichts: Sie schrieb nicht, sie wartete auf ihre
Kündigung.

4
Okt
2005

davongekommen

„Und wie ist es dir ergangen?“ Angelika blinzelte ihn an. „Wieso bist du nach Deutschland zurückgekehrt? Warum hast du dich ausgerechnet in Aachen niedergelassen?“
Er lehnte sich zurück, stütze sich mit den Armen ab und sah direkt in Sonne. Einige Minuten schwiegen sie, aber Angelika empfand das nicht als Belastung. Seine Haut war gebräunt, fast so rot wie Kastanien. Eine tiefe Gelassenheit strahlte von ihm aus, früher war er immer so hektisch, gewesen. Er richtete sich auf, hielt eine Hand als Schutz vor die Augen und sah sie direkt an.
„Mein Segelboot ist gesunken und mit ihm alles was ich besaß.“
„Wie ist das passiert?“
„Ich hatte mich zu weit raus gewagt, Es hatte eine Hurrikan-Warnung gegeben, ich ignorierte sie, geriet in den Sturm, das Boot kenterte.“ Er wandte den Blick nicht von ihr. Seine Stimme klang ruhig, als berichte er von einem gemütlichen Törn. „Zwei Tage trieb ich in einer Rettungskapsel, dann fischten sie mich auf.“
Seine Mundwinkel zuckten, Wellen kräuselten sich in seinem Gesicht, so als triebe noch ein Teil von ihm durch den Sturm.
„Am letzten Tag, ein paar Stunden bevor ich gerettet wurde, dachte ich an dich.“
„An mich, warum?“
„Ich weiß es nicht. Ich ging alle Menschen durch, die ich jemals gekannt hatte, irgendwann dachte ich an dich und an unsere gemeinsamen Jahre an der Uni. Ich erinnerte mich, dass du nach Aachen ziehen wolltest, deine Traumstadt wie du immer gesagt hast, und alle habe dich ausgelacht, was denn bloss an Aachen so toll sein sollte. Und da nahm ich mir vor, wenn ich überleben sollte, dann würde ich zurück nach Deutschland gehen und mir Aachen ansehen, den Dom, den Elisenbrunnen ...“

3
Okt
2005

Der Kirschbaum

Über die Schrebergärten blies ein ein steifer
Ostwind. Martha stieg von ihrem Fahrrad und schloss es an einem Laternenpfahl.
Heute würde sie es tun. Da konnte Volker noch so viel reden. Es war ihr Garten,
und sie hasste den Krischbaum. Schon als sie den Garten gekaufte hatte, war ihr
dieser kleine knorrige Baum unsympathisch gewesen, aber damals hatte sie noch
gehofft sich mit dem Baum arrangieren zu können, wenn er erst einmal Früchte
trüge, hatte sie gedacht, würde sie ihm seine Anwesenheit verzeihen. Der Kies
scharrte unter ihren Füßen, als sie den Weg zu ihrem Garten entlang. Die Luft
war feucht. Martha schwitze, fror nicht einmal, obwohl es empfindlich kalt war.
In ihrer rechten Hand hielt sie die Axt, die sie sich von ihrem Großvater
ausgeliehen hatte.
 
"Martha, was willst du damit?", hatte der Alte
gefragt. Martha wusste, dass ihr Großvater ahnte, welchen Baum sie damit fällen
wollte. Er mochte den Kirschbaum, was sie nie verstanden hatte. Ohne ihm zu
antworten hatte sie ihm die Axt aus der Hand gerissen, war davon gelaufen.
Selbst jetzt als sie die Pforte zu ihrem Garten aufstieß, spürte sie den
vorwurfsvollen Blick ihres Großvater, sah seine krause Stirn und wie er die
Hände in den Hosentaschen, den Kopf schütteln ihr nach schaute.
 
Martha krempelte die Ärmel ihrer Jacke hoch, legte
die Axt ins Gras, brach die unteren Äste des Kirschbaumes ab, um besser an den
Stamm kommen zu können. Die tiefstehende Sonne schien in auf der Rücken. Sie
schnaufte, schwitzte, trat zurück und betrachte den Baum, der jetzt aussah wie
ein alter Mann, dem man, die Hosen runter gezogen hatte. Sie nahm die Axt, legte
sie am Stamm an, dann holte sie aus. Die Klinge schlug in den Stamm ein. Der
Stamm warf den Schlag zurück, dass ihr fast die Axt aus den Händen fiel. Wieder
und wieder hieb sie auf den Stamm ein. Holzsplitter flogen durch die
Luft.
 
Vom Lärm ihrer Schläge war ihr Nachbar aus seinem
Schläfchen aufgewacht und an den Zaun getreten.
 
"Frau Claaßen, was machen Sie da?", rief er. "Sie
können doch den armen Baum nicht fällen. Er stört sie doch überhaupt
nicht!"
 
Von wegen, der Baum ist einfach nur, das stört mich
an ihm, dachte Martha. Jetzt würde sie fällen, dann wäre sie ihn endlich los,
dann hätte sie endlich mehr Licht und Platz, dann war es endlich ihr Garten,
nicht mehr sein Garten.

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