Liebe Leserin, lieber Leser

ich grabe in meinem Bergwerk nach Texten und finde: Nuggets, Kristalle, Edelsteine und viel zu oft Katzengold. An den Fundstücken klebt Schlamm. Sie müssen gewaschen und poliert werden. Das alles mache ich hier nicht.

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19
Sep
2009

Die Schuldige

“Du bist Schuld!”
Marlene blickte in den Spiegel. Das Gesicht verzog keine Mine.
“Du bist Schuld!” Sie tippte mit einem Finger auf das Gesicht. “Du! Du! Du!”
Sie ließ den Bademantel von ihren Schultern gleiten, tauchte ihr Gesicht in das kalte Wasser im Waschbecken, bis sie keine Luft mehr hatte und Atem holen musste.
“Hätte ich doch nie auf dich gehört!”, schrie sie das Gesicht im Spiegel an. “Wenn wir es auf meine Art gemacht hätten, dann wären wir Isabelle jetzt los. Ist dir das klar? Du verdammte Hexe!”
Im Wohnzimmer brannte nur die Stehlampe. Auf dem Bildschirm flimmerte der Bericht von dem Flugzeugabsturz. Eine Lufthansa-Maschine war auf ihrem Flug von Frankfurt nach Barcelona über Frankreich in Schwierigkeiten geraten. Der Pilot hatte noch einen Funkspruch senden können, dann war die Verbindung abgebrochen, das Flugzeug stürzte über den Pyrenäen ab.
Marlene hockte sich auf die Lehne eines Sessels und goss sich ein Glas Whiskey ein.
„Die Rettungskräfte haben keinerlei Hoffnung Überlebende zu finden“, erklärte die Moderatorin der Sondersendung, während im Hintergrund Bilder von der Absturzstelle zu sehen waren: verstreute Wrackteil, zwischen denen kleine orangene und gelbe Punkte kletterten.
Sie nahm einen Schluck Whiskey, schleuderte das Glas in Richtung des Bildschirms. Es verfehlte das Gerät knapp, zerschellte an der Wand. Der Whiskey troff an der Tapete herunter.
„Scheiße!“
Ihr Handy klingelte. Auf dem Display leuchtete Max’ Name. Widerwillig griff sie nach dem Handy, atmete tief durch. Erst als ihre Mailbox schon die Ansage herunterleierte, nahm Marlene das Gespräch an.
„Ja!“
Sie hatte ihre Stimme nicht im Griff, sie klang etwas zu gereizt, aber er würde es unter den Umständen wahrscheinlich als emotionale Erregung verstehen.
„Was ist mit dir los?“ Natürlich wusste er, dass sein Name auf dem Display erschien. „Warum lässt du es so lange klingeln?“
Ahnte er vielleicht doch etwas von ihrem Zorn. Zuzutrauen wäre es ihm.
„Ich war im Bad. Ich bin total fertig.“ Wenigstens musste sie sich nicht sehr bemühen Betroffenheit zu heucheln. „Wie geht es Isabelle?“
„Wie soll es deiner Schwester schon gehen.“ Seine Stimme klang vorwurfsvoll. „Erst schreist du hier das halbe Haus zusammen und beschuldigst sie vollkommen ohne Grund.“
„Es tut mir leid.“
Max schwieg. Hatte er überhaupt eine Ahnung, wie sehr sie die Szene vom Vormittag bereute. In der Stille der Verbindung knisterten seine Gedanke. Sie stellte sich seinen Ich-weiß-genau-was-du-jetzt-denkst Blick vor.
„Dann verpasst sie deswegen ihren Flug nach Barcelona. Wie würde es dir gehen, wenn dir durch so einen krankhaften Tobsuchtsanfall das Leben gerettet wird.“ Er machte eine Pause, wieder dieses knistern seiner Gedanken. „Zwei Stunden haben wir gebraucht das Chaos, das du hier angerichtet hast, zu beseitigen.“
Ein Luftzug fuhr vom Balkon herein. Ihr fröstelte. Die Badezimmertür schlug zu. Sie zuckte zusammen. Marlene spürte wie sie sich wieder näherte als hülle sie jemand in einen seidenen Umhang.
„Und als ich sie dann einigermaßen beruhigt hatte“, fuhr er fort, „haben wir die Nachrichten eingeschaltet und vom Absturz ihrer Maschine erfahren.“
„Wann kommst du?“
„Keine Ahnung. Ich glaub’, ich fahr’ erst mal in meine Wohnung“
Er seufzte. Sie presste das Handy an ihr Ohr, um kein Knistern oder Rauschen zu verpassen. Die Verbindung war so einwandfrei, dass sie fürchtete, er hätte aufgelegt.
„Max!“, flüsterte sie. „Bist du noch dran?“
„Marlene, ich weiß nicht, ob ich wieder kommen will.“
Ein einzelnes Knacken, dann brach die Verbindung ab.
Lilie (Gast) - 19. Sep, 20:31

Liebe Sarah,
nachdem ich jetzt noch einmal deine Geschichte gelesen habe, weiß ich gar nicht, warum ich sie zuerst nicht verstanden habe?!
Liebe Grüße
Iris

Mamü (Gast) - 21. Sep, 09:39

Liebe Sarah,

es ist jetzt leider nicht mehr herauszufinden, ob ich die Geschichte verstanden hätte, wenn ich sie in Ruhe selbst gelesen hätte. Nach deinen Erklärungen, mit dem Wissen, dass im Spiegel die Eifersucht gemeint ist, verstehe ich die Geschichte jetzt natürlich auch. :-) Aber als du vorgelesen hast, war ich komplett auf dem falschen Dampfer. Es war so spannend am Anfang, dass ich immer überlegte, was da jetzt noch kommt. Vielleicht ein zweites Ich in Form von Schizophrenie oder eine geheimnisvolle Figur von der sie beherrscht wird oder so was. Das Thema Eifersucht, um das es ja eigentlich ging, habe ich beim Vorlesen komplett ausgeblendet.

Vielleicht hätte ja doch an einer Stelle die Eifersucht namentlich erwähnt werden sollen. Wäre nur eine ganz winzige Änderung. Möglicherweise an dieser Stelle: "Marlene spürte wie sie sich wieder näherte, die Eifersucht, als hülle sie jemand in einen seidenen Umhang." Ich finde schon, dass du sie beim Namen nennen kannst, denn es ist ja kein Rätselkrimi. ;-) Und da ich ja auf einem völlig falschen Dampfer war, überlegte ich natürlich, ob das zweite Ich oder die andere Figur sich an dieser Stelle wieder nähert und Besitz von ihr ergreift. Im Prinzip ist es ja auch so, wenn man mal die eifersüchtige Marlene als zweites Ich bezeichnet. Nur kam ich nicht auf die Eifersucht. Warum Marlene einen Tobsuchtsanfall hatte, erschloss sich mir nicht.
Dass die Türe die durch einen Windzug zuschlägt an dieser Stelle, finde ich übrigens äußerst geschickt gemacht.
Überhaupt finde ich diesen Text super geschrieben, sehr lebendig, kraftvoll, voller Spannung. Besonders am Anfang baut sich viel Spannung auf, man will wissen wie es weitergeht. Nur am Ende stand ich da und dachte, wieso ist die Geschichte jetzt zuende, da ist doch noch kein Ende. Weil ich es eben nicht verstanden hatte.

Liebe Grüße,
Martina

Wally P. (Gast) - 24. Sep, 09:31

Dass das Gesicht im Spiegel die Eifersucht darstelllen sollte war mir sofort klar (vielleicht aber auch nur, weil mir das gestellte Thema bekannt war ?) . Nicht klar komme ich nur mit einem einzigen Punkt: dem Flugzeugabsturz. Für mich liest es sich so, als ob Marlene da ihre Hände im Spiel, ihn verursacht hätte, um ihre Schwester als Rivalin `auszuschalten´. War mein erster Gedanke. Aber es gibt keinen deutlichen Hinweis darauf, dass sie tatsächlich daran beteiligt war. Also doch nur ein Zufall? *grübel* Als Zufall käme es mir zu weit hergeholt vor, als Absicht würde es ins Bild passen, bräuchte aber ein Detail, einen Zusatz, der Marlenes Tat deutlich macht (z.B. . "Kaum zu glauben, wie leicht es gewesen war die Bombe an Bord zu kriegen" oder so was )

LG Wally

sarah.tegtmeier - 24. Sep, 12:05

Hi Wally,

Marlene hatte bei dem Flugzeugabsturz nicht ihre Hände im Spiel. Sie ärgert sich über ihre Eifersucht, weil diese sie zu dem Tobsuchtsanfall verleitete, der dazu führte, dass Isabelle ihren Flug verpasst. Wenn sich Marlene nicht so stark von ihrer Eifersucht hätte lenken lassen, dann wäre Isabelle bei dem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Marlenes Eifersucht war also ein Glück für Isabelle. Als Prämisse hatte ich mir "Eifersucht rettet Leben" überlegt.

Ciao!

Sarah

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