Liebe Leserin, lieber Leser

ich grabe in meinem Bergwerk nach Texten und finde: Nuggets, Kristalle, Edelsteine und viel zu oft Katzengold. An den Fundstücken klebt Schlamm. Sie müssen gewaschen und poliert werden. Das alles mache ich hier nicht.

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3
Nov
2007

Das Mädchen am fernen Ufer

Seit einiger Zeit beobachte ich eine seltsame Entwicklung bei mir, mit der ich so nicht gerechnet hatte, als ich meinen Weg vom Mann zur Frau vor vier Jahren begann. Ich kann mich noch gut an ein Telefongespräch mit einer Freundin erinnern, als ich gerade dabei mich an meinen weiblichen Vornamen zu gewöhnen. Als ich damals ihre Nummer wählte, lebte ich glaube ich noch nicht als Frau, sondern ging noch als Mann zur Arbeit und lebte meine Weiblichkeit nur in der Freizeit. An den genauen Anlass des Anrufes erinnere ich mich nicht mehr, wahrscheinlich wollte ich mit ihr ins Kino gehen.

„Hallo, hier ist Heiko ... äh Sarah ... äh ...“, stammelte ich.

„Wer auch immer von euch beiden grade spricht“, antwortete sie amüsiert. „Schön, dass du anrufst. Worum geht’s?“

Heute habe ich natürlich keine Probleme mehr meinen Vornamen zu nennen. Manchmal streift mein alter Vorname mich wie Windhauch.

Während der ersten Jahre als Frau strengte ich mich an, wenn ich von mir in einer bestimmten Rolle sprach, immer die weibliche Form zu benutzen. Ich sprach von mir als Leserin, Theaterbesucherin, Spaziergängerin, Radfahrerin. In solchen Situationen musste ich mich anfangs konzentrieren, um jedes mal die Endung „-in“ an die Rollenbezeichnung anzuhängen. Einmal sprach ich mit einer Freundin darüber, sie sagte, dass ihr schon aufgefallen wäre, dass ich immer die weiblich Form für mich benutze. Sie würde das für sich nur selten machen, das sei ihr zu umständlich

Ich hatte an dieser Stelle schon einmal darüber geschrieben, was für ein sonderbares Gefühl es ist, wenn ich Fotos von mir als Junge oder Mann sehe. Als ich mich zu dem Wechsel entschloss, rechnete ich damit, dass es nicht immer leicht oder angenehm sein würde, meine männliche Rolle und die Spuren, die sie in meiner Vergangenheit hinterlassen hat, mit meinem jetzigen Leben in Einklang zu bringen, um so mehr staune ich über die Beobachtungen, die ich an mir in den letzten Woche machte.

Manchmal stelle ich mir vor, wie ich anderen von meiner Kindheit und Schulzeit erzähle. Es sind banale Gespräche, die ich mir ausmale, es geht in ihnen um normale Erfahrungen und Eindrücke, wie sie jeder macht. Wenn ich solche Gedanken formuliere, beginne ich die Sätze immer öfter mit „Als ich ein kleines Mädchen war...“ oder „Als Schülerin ...“, aber ich war nie ein kleines Mädchen oder eine Schülerin. Obwohl sie keine realen Erinnerungen spiegeln, kommen mir die Formulierungen zwanglos in den Sinn. Ich muss mich dafür nicht konzentrieren. Vielmehr kommen mir die entsprechenden männlichen Formulierungen unpassend vor. Ich hatte bisher immer angenommen, dass sich mein Frau-sein von dem Zeitpunkt an, seitdem ich als Frau lebte oder seitdem ich eine Frau bin, nur in meine Zukunft auswirkt, meine Vergangenheit oder meine Erinnerung aber nicht ändert.

Eine Lampe wirft in der Dunkelheit einen runden Lichtkegel um sich. Ich beginne zu ahnen, dass mein Wechsel eine Lampe ist, die ich einschaltete, um mit ihr nach vorn zu gehen, deren Licht und Wärme aber nun auch den Weg hinter mir bestrahlt.

Von meinem Boot aus schmeiße ich Steine in den See. Die Wellen breiten sich in alle Richtungen aus. Wenn ich mich umblickte, sehe ich, wie die Wellen an die fernen Ufer meiner Kindheit schwappen. Aus der verschwommenen Ferne winkte mir ein Mädchen mit langen geflochtenen Zöpfen zu.

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