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ich grabe in meinem Bergwerk nach Texten und finde: Nuggets, Kristalle, Edelsteine und viel zu oft Katzengold. An den Fundstücken klebt Schlamm. Sie müssen gewaschen und poliert werden. Das alles mache ich hier nicht.

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25
Aug
2008

Wieder Zuhaus

Von Klaus Lage gibt es das Lied “Wieder zuhaus”, in dem er die Gedanken eines Mannes beschreibt, der nach einigen Jahren in seine Heimatstadt zurück kehrt. Der Anfang des Refrains lautet “Ich bin wieder zuhaus // die Kirche ist nicht mehr so groß” Ich habe mich immer gefragt, was diese Zeile bedeuten soll: Dass die Kirche bzw. das, wofür sie steht, nicht mehr so Respekt gebietend ist? Dass er sich von den Meinungen und Wertvorstellungen der Kleinstadt nichts mehr vorschreiben lässt?

Oder ist der Satz wörtlich zu verstehen: Ist die Kirche tatsächlich kleiner geworden? Das ist nämlich mein Eindruck, wenn ich zu meinen Eltern fahre, in das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. Mein Dorf ist geschrumpft: Die Häuser sind kleiner, die Berge flacher, die Wege kürzer geworden. Als ich einmal nach über 15 Jahren den Weg von meinen Eltern zu Bekannten im Dorf ging, bei denen ich als Kind oft spielte, wunderte ich mich wie kurz dieser Weg war. Ich hatte ihn viel länger in Erinnerung. Schon das Nachbargrundstück schien schmaler. Ich hatte auch das Gefühl als Kind an mehr Häuser vorbei gegangen zu sein. Aber es fehlte kein Haus, kein Grundstück, es gab keine Baulücke, wo früher noch ein Gebäude gestanden haben könnte. Es waren genau die Häuser und Grundstücke, die ich seit meiner Kindheit kannte. Und doch kam mir alles irgendwie sonderbar geschrumpft vor. Woran liegt das? Ich kann es mir nur so erklären, dass es an meiner Körpergröße und an der Länge meiner Schritte liegt. Als Kind brauchte ich wahrscheinlich doppelt so viele Schritte wie als Erwachsener, weshalb mir die Entfernung dieses Weges heute nur noch halb so weit erscheint.

Am Wochenende besuchte ich meine Eltern. Meine Mutter feierte ihren 60. Geburtstag. Ich lebe seit fast zwanzig Jahren nicht mehr in dem Dorf, in dem ich aufwuchs. Noch kurz vor meinem Abitur glaubte ich, nicht in einer Großstadt leben zu können. Meine Heimatstadt hat ca. 25000 Einwohner. Heute wäre mir das fiel zu klein: Kein vernünftiges Kinoprogramm, kaum Kneipen und Restaurants, kein Theater, kein Sinfonieorchester, zum Shoppen fährt man am besten nach Hildesheim oder Hannover, also mindestens 30 Kilometer.

Wenn ich während der ersten Jahre, nach dem ich “von zuhause” fortging, mit dem Auto die Ortseinfahrt meines Heimatdorfes passierte, fühlte ich mich manchmal euphorisch. Ich freute mich jedes Mal wieder “zuhause” zu sein. Das ist schon lange nicht mehr so. Jetzt freue ich mich, wenn ich aus meinem Heimatdorf hinaus fahre, weil ich dann nach Hause fahre. Trotzdem benutze ich oft die Formulierung “nach Hause fahren”, wenn ich davon spreche, dass ich zu meinen Eltern fahre. Als ich letzte Woche mit meiner Schwester telefonierte, um einige Sachen wegen des Geburtstages meiner Mutter zu besprechen, fragte sie mich, wann ich nach Hause fahre, obwohl auch sie längst weit weg von unserem Heimatdorf lebt.

Seit einigen Tagen denke ich über die Begriffe „Zuhause“ und „Heimat“ nach. Was unterscheidet sie? Das Dorf, in dem meine Eltern seit ihrer Geburt leben, ist ihr Zuhause, war einmal mein Zuhause. Heute ist meine Zuhause Aachen und meine Wohnung, in der ich mit meinen Katzen lebe. Nach dem Telefongespräch mit meiner Schwester beschloss ich nicht mehr zu sagen „ich fahre nach Hause“, wenn ich zu meinen Eltern fahre. Das Dorf meiner Kindheit ist meine Heimat. Mein Zuhause ist dort, wo ich mich wohl fühle, wo ich lebe.

Das Konzept „Heimat“ scheint für mich nicht so bedeutend zu sein wie „Zuhause“. Weil ich meine Heimat - Deutschland? - nie verlassen habe? Wenn jemand singt: „Ich bin wieder zuhaus // die Kirche ist nicht mehr so groß // Ich bin wieder zuhaus
und doch es geht wieder los // Ich spür' die Blicke hinter den Gardin'n // die ham mir nicht verzieh'n“ - was bedeutet das? So wohl kann er sich dann ja Zuhause nicht gefühlt haben. Hat er seine Heimat verlassen und noch kein neues Zuhause gefunden? Für viele ist der Begriff Heimat wichtig. Warum? Ist nicht ein Zuhause viel wichtiger? Sehnt man sich nach der Heimat, wenn man sie - das erste Zuhause - verloren hat, ohne eine neues Zuhase gefunden zu haben? Braucht nur der eine Heimat, der kein Zuhause hat?

Ich war froh, als ich nach dem Abitur von Zuhause fort ging. Obwohl ich danach fast ununterbrochen in Aachen lebte, hat es Jahre gedauert, bis ich wieder Zuhause war.

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