Warum schreibe ich?
Weil ich immer wieder abends im Bett liege und der Gedankenmotor anspricht, im Dunkeln nach Sätzen sucht, Gedankenwolken vor meinem Geist aufziehen, die mich denken lassen: Das darfst du nicht vergessen, das solltest du aufschreiben, daraus könntest du eine Geschichte, einen Essay machen. Weil ich ein paar gute Texte geschrieben habe. Weil ich mehr gut Texte schreiben will. Weil ich die Anerkennung brauche, die ich für einen guten Text bekomme. Weil ich mich sonst unbedeutend fühle. Weil ich sonst übersehen werde. Weil ich mich vergessen will. Weil ich mich auflösen will. Weil ich bei mir ankommen will, in meinem Nirvana, dort wo nur ich bin, ohne Fragen, ohne Verpflichtungen, ohne Rechtfertigungen. Weil ich ein Mann war. Weil ich eine Frau bin. Weil ich gegen meinen Vater kämpfe. Weil ich meine Mutter bedauere. Weil ich meinen Vater verstehen möchte. Weil ich gern andere Eltern gehabt hätte. Weil ich meinen Eltern unendlich dankbar bin. Weil ich kein Instrument spielen kann. Weil ich nicht tanzen kann. Weil ich nicht richtig laufen kann. Weil ich nicht weiß, wie lange ich überhaupt noch laufen kann. Weil ich Angst davor habe, wie schlimm meine Behinderung im Alter wird. Weil die Erde ein so wunderschöner Planet ist. Weil wir so dumm, so rücksichtslos, so engstirnig, so verlogen sind, das nicht zu begreifen. Weil ich mich über andere ärgere. Weil ich mich über andere wundere. Weil ich mich verstehen will. Weil ich Erfahrungen gemacht habe, die sonst keiner hatte. Weil ich Antworten habe, die nur ich geben kann. Weil ich lieben will. Weil ich hassen will. Weil ich töten will. Weil ich beim Schreiben, Erfahrungen machen kann, die mir im wirklichen Leben zum Glück erspart bleiben. Weil ich schüchtern bin. Weil ich introvertiert bin. Weil ich etwas hinterlassen will. Weil ich krank bin. Weil ich mit einem Virus infiziert bin, der mich zum Schreiben zwingt. Weil es die einzige Therapie ist für die Krankheit, deren Name „Ich schreibe“ lautet.
Ich schreibe: „Weil ich schreibe“, weil ich schreibe. Ich staune, dass ich schreibe, warum ich schreibe.
Ich bin also schreibe ich.
Ich schreibe: „Weil ich schreibe“, weil ich schreibe. Ich staune, dass ich schreibe, warum ich schreibe.
Ich bin also schreibe ich.
sarah.tegtmeier - 15. Aug, 23:03