Liebe Leserin, lieber Leser

ich grabe in meinem Bergwerk nach Texten und finde: Nuggets, Kristalle, Edelsteine und viel zu oft Katzengold. An den Fundstücken klebt Schlamm. Sie müssen gewaschen und poliert werden. Das alles mache ich hier nicht.

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21
Mai
2007

Eine Katastrophe?

Eigentlich wollte ich meinen nächsten Beitrag hier zu einem anderen Thema schreiben. Letzte Woche habe ich "Spider-Man 3", dazu wollte ich etwas schreiben. Oder dazu, wie ich in der 7. oder 8. Klasse meine erste große Liebe entdeckte. Damit jetzt niemand etwas falsches denkt: Meine erste große Liebe war kein Mensch, noch nicht einmal ein Lebewesen. Aber darüber will ich jetzt nicht schreiben.

Ich will über die Katastrophe schreiben, die sich am Sonntagnachmittag ereignete.

Gerade habe ich den Satz geschrieben, schon muss ich ihn revidieren: Die Katastrophe ereignete sich nicht am Sonntag. Ich weiß nicht, wann genau es geschah, aber entdeckt habe ich sie am Sonntagnachmittag. Ich vermute, dass es während meines Umzuges passierte oder als ich vor ein paar Wochen Altpapier in einen Container warf.

Ich hatte mich am Sonntag so darauf gefreut: Ich wollte endlich eine Geschichte schreiben, die mir schon länger durch den Kopf ging. Sie beruht auf einem Tagebucheintrag aus dem Jahr 2005. Ich setzte mich zwei alten Tagebücher in meinen Garten. Vor mir auf dem Tisch breitete ich ein Block aus. Oben auf das Blatt schrieb ich den Titel der Geschichte "Liegenbleiben". Dann blätterte ich in meinen Aufzeichnungen. Schnell fand ich den Eintrag und notierte mir das Datum, um ihn später leichter wieder zu finden. Aber die Szene, die ich in diesem Eintrag skizzierte war nicht komplett. Ich wusste, dass zu dieser alten Frau, die morgends in ihrem Bett aufwachten, noch mehr geschrieben hatte. Ich erinnerte mich sogar vage an weitere Formulierungen. Ich hatte gedacht, die Szene an einem Tag beschrieben zu haben, was offenbar ein Irrtum war. Kein Problem dachte ich, dann blätter ich eben weiter. Das Tagebuch, in dem ich diesen Beitrag geschrieben hatte, reichte bis Mitte Juli 2005, also musste das weitere, an das ich mich noch erinnerte, später geschrieben haben. Ich schlug das nächste Heft auf, aber der erste Eintrag darin datierte in den März 2006, also ein knappes dreiviertel Jahr nach dem letzten Eintrag aus dem ersten.

Vielleicht ahnt ihr schon, worin die Katastrophe besteht. Ich ging zu meinen Nachtschrank, in dem ich alle meine Tagebücher aufbewahre, um das zu holen, in welches ich von Juli 205 bis März 2006 schrieb. Ich fand es nicht: Es ist weg! Und mit ihm die Aufzeichnungen zu der Geschichte, die ich am Sonntag endlich schreiben wollte. Ich bin absolut sicher, dass ich von Juli 2005 bis März 2006 Tagebuch geführt habe, dass ich etwas darüber geschrieben habe, wie sie die alte Frau, während sie in ihrem Bett liegt, währen ihre Gelenke schmerzen, an ihren verstorbenen Mann dachte. Die Sätze schwebte zwischen dem Grab ihres Mannes und ihrem Bett. Als weg! Mist!

Ich weiß, dass ist sicherlich keine Katastrophe. Andere habe größere Probleme. Schalke ist nicht deutscher Fussballmeister geworden. In Afganisthan sind bei einem Bombenanschlag drei deutsche Soldaten ums Leben gekommen. In Afrika hungern die Menschen. Das Klima auf der Erde spielt verrückt. Die Buckelwale sterben aus, wahrscheinlich auch die Eisbären. In Japan schneidet ein sechzehnjähriger seiner Mutter den Kopf ab, trägt ihn in einer Plastiktüte durch Tokyo und übergibt ihn der Polizei. Das sind Katastrophen. Und ich lamentiere, weil ich ein Schreibheft verloren habe.

Eine Stunde durchsuchte ich am Sonntag meine Wohnung nach diesen blödem Heft.

Nun klafft eine Lücke in meinen Tagebuchaufzeichnungen, ein Teil meines Lebens ist verschwunden, was eigentlich nicht so schlimm wäre. Es gibt größere Lücken. Jahrelang führte ich kein Tagebuch, weil ich es irgendwann nicht mehr ertrug immer die gleichen Klagen auf die Seiten zu kritzeln. Aber der Zeitraum, den ich jetzt vermisse, umfasst die Monate vor meiner geschlechtsangleichenden Operation. Ich war damals sehr ruhig, ich zweifelte nicht an meiner Entscheidung für die Operation. Ich hatte keine Angst. Ich wartete auf Zweifel und Ängste. Obwohl ich mich nicht an tiefschürfende Gedannken aus dieser Zeit erinnere, hätte meine Aufzeichnungen von damals gern für später aufbewahrt.

Nun bleibt mir nichts, als mich zu ärgern: Über den Verlust dieser Gedanken und dieser wunderbaren Geschichte von dieser alten Frau.

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