Scherben
Durch die Milchglasscheiben des Cafes schleicht sich ein Lichtfleck herein, kriecht die Vorhänge herunter, baumelt in den Blätter der Pflanzen, stolpert vorbei an Marthas Michkaffee und fälll auf Steinfußboden, auf dem er zerschellt. Die Scherben flackern, tänzeln, als Martha ein Bein ausstreckt, um auszuprobieren, ob die glitzernden Flecken davon stieben, wenn sie in den Haufen hineintritt. Martha wartet, es passiert nichts, nur eine Kellnerin stößt mit einem Gast zusammen, der von seinem Platz aufspringt, als sie sich mit einem vollen Tablett hinter ihm zwischen den Stühlen durchschlängelt. Die Tasse und Gläser fallen herab, zerklirren auf dem Boden, Scherben flüchten unter die Tische. Währen Martha den Streit zwischen der Kellnerin und dem Mann beobachtet, rührt sie mit einem Löffel ihren Milchkaffee um. Noch eine Minute, dann darf sie ungeduldig werden; sie blickt zur Tür, aber er kommt nicht, sie vermeidet den Blick auf die Uhr, weil dann die Rechtfertigung für ihre langsam aufkeimende Wut zerbräche. Er könnte noch immer pünklich kommen. Die Zeit hat den Punkt, an dem Martha mit ihm verabredet ist, noch nicht erreicht; trotzdem knischern ihre Gedanken. Zu lang hat er sie immer wieder vertröstet, zu oft beteuert, wie wichtige ihm die Unterhaltungen mit ihr sind, zu oft ihr ihre Fehler vorgehalten, die es ihm schwer machten, die Freundschaft aufrechtzuhalten, und immer keine Konsequenzen gezogen. Die Unterhaltungen, wenn er sich mal wieder ausheulen will, ja dann ist sie gut genug. Als die Kellnerin plötzlich vor Martha steht und fragt, ob sie etwas wünsche, zuckt Martha ein wenig zusammen; sie rührt noch immer ihren Michkaffee um, obwohl der Mann längst bezahlt, die Scherben zusammen gefegt sind und ein anderes Grüppchen an dem Tisch des Mannes Platz genommen.
"Nein, nichts, danke", sagt Martha. "Oder halt, warten Sie! Einen Pflaumenkuchen mit Sahne, bitte."
Wenn er jetzt käme, wäre gerade fünft Minuten zu spät, da darf sie nicht auf ihn wütend sein. Erst wenn sie ihre Bestellung bekommen hat und die letzten Reste Sahne und Krümel zusammen gekratzt hat, darf sie wütend sein. Sie schaut zur Tür.
"Nein, nichts, danke", sagt Martha. "Oder halt, warten Sie! Einen Pflaumenkuchen mit Sahne, bitte."
Wenn er jetzt käme, wäre gerade fünft Minuten zu spät, da darf sie nicht auf ihn wütend sein. Erst wenn sie ihre Bestellung bekommen hat und die letzten Reste Sahne und Krümel zusammen gekratzt hat, darf sie wütend sein. Sie schaut zur Tür.
sarah.tegtmeier - 10. Sep, 08:34
Schöne Doppeldeutigkeit
Schön auch, dass sich das Tempo nicht ändert, obwohl die Tasse zu Bruch geht und die Leute streiten. Ich als Leser bleibe mit Martha in Ruhe.
"Martha wartet, es passiert nichts, ...." ist mir etwas zu kompliziert verschachtelt.
Viele Grüße