das letzte Schiff
Die Wasserfälle des Rohans atmeten ihren morgendlichen Dunst über Tuhir aus. Wie ein riesiger Mückenschwarm stoben winzige Wassertropfen durch die Gassen. Maral stand am Kai, an dem sie vor einigen Wochen an Land gestiegen war, und blickte in Richtung des Marktplatzes. Das Licht brach sich in dem feinen Nebel, so dass Erker und Zinnen der Häuser mit glänzenden Regenbögen behangen waren. Sie fragte sich, wie lange es dauern würde, bis sie sich an die Feuchtigkeit in der Luft gewöhnte, die in einem ununterbrochenen Strom von den Fällen her durch Tuhir zog. Sie war noch nicht soweit, vom Atem des Rohan zu sprechen wie die Bewohner Tuhirs den Nebel nannten, und wischte sich noch immer durchs Gesicht, wenn sich Tropfen auf ihrer Stirn ansammelten. Ich komme noch immer in Tuhir an, dachte sie und drehte sich zum Meer. Seit ihrer Ankunft hockte sie jeden Morgen hier, um über das Wasser in die Ferne zu blicken. Obwohl seit Wochen kein Schiff aus ihrer Heimat angelegt hatte, kam es ihr vor, als liefe mit jedem Sonnenaufgang ein unsichtbares Schiff, auf dem sich ein Teil von ihr befand, in den Hafen ein; so als folge dem Schiff, mit dem ihr Körper angekommen war, eine Flotte zurückgebliebener Schiffe, die nun nach und nach in Tuhir anlangten, um einen weiteren Teil von ihr zu liefern. Sie spürte, dass sie auch heute nicht das letzte dieser Schiffe empfangen hatte. Sie sehnte sich nach dem letzten Schiff.
sarah.tegtmeier - 12. Mai, 17:58