Liebe Leserin, lieber Leser

ich grabe in meinem Bergwerk nach Texten und finde: Nuggets, Kristalle, Edelsteine und viel zu oft Katzengold. An den Fundstücken klebt Schlamm. Sie müssen gewaschen und poliert werden. Das alles mache ich hier nicht.

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6
Sep
2008

The Voice

Wenn ich die Stimme eines Menschen höre, den ich kenne, ohne ihm gegenüber zu sitzen oder ohne ihn zu sehen, dann sehe ich ihn trotzdem mehr oder weniger bewusst vor meinem geistigen Augen. Ich kann mir vorstellen, wie der Freund oder die Freundin gestikuliert. Ich weiß, wie sich die Stirn falltet, wenn der Freund die Stimme hebt, wie sich die Freundin die Lippen schürzen, wenn sie zwischen zwei Worten schnaubt, wie er schräg nach oben guckt, wenn er nach einer Formulierung such, wie sie sich mit einer Hand die Haare zupft, wenn sie etwas erzählt, das ihr peinlich ist. Von fast allen Menschen, die ich persönlich kenne, lernte ich ihr Gesicht zusammen mit ihre Stimme kennen. Wenn ich sie sprechen höre und sehe, löst das bei mir keine Irritation aus, weil ich beides nicht von einander trennen kann.

Gerade habe ich das Gesicht einer Stimme gesehen, die mich seit Jahren wegen ihrer Prägnanz in ihren Bann zieht. Es ist eine brüchige, dünne, etwas heisere Stimme. Ich habe mich nie gefragt, wie das Gesicht, dem diese Stimme gehört, aussieht. Das Gesicht, das ich am ehesten mit dieser Stimme assoziiere, gehört Robert DeNiro.

Die Stimme viel mir das erste Mal Anfang der 1990er Jahre auf. Damals begann ich Hörspiele im WDR zu hören. Auf Produktionen, bei denen diese Stimme mitwirkte, freute ich mich immer besonders. Ich hörte automatisch aufmerksamer zu. Sie zog mich tiefer hinein in die Lautsprecher. Ganz besonders eindringlich ist mir die Stimme in Erinnerung als die des Erzähler in einem dreiteiligen Hörspiel, das auf Island im frühen Mittelalter spielte, eine Nordlandsaga.

Als ich eben beim Zappen in einer Wiederholung der “Lesen!” Sendung von gestern landete, sah ich ihn das erste Mal. Elke Heidenreich besprach “Moby Dick”, diesen grandiosen Roman, den er in einem neuen Hörbuch komplett liest. Als ich in die Aufzeichnung schaltete, referierte die Heidenreich über den Roman. Neben ihr am Tisch saß ein Mann der mir irgendwie bekannt vorkam, ganz in schwarz gekleidet, mit grauer Krawatte, grauem Vollbart, grauen Haaren, die ihm dank Gel wie Borsten über der Stirn standen. Bestimmt irgendein Autor, dachte ich. Dann sprach er; und ich wusste sofort, wer er war: Das war also Christian Brückner. Ich war irritiert, obwohl ich seine Stimme schon so oft gehört habe; aber seine Gestik und Mimik wirkte irgendwie fremd, ungewohnt. Ich musste mich erst an diesen für Schauspieler typischen Gestus gewöhnen. Diese Stimme gestikulierte gar nicht wie Robert DeNiro. Diese Augen guckten gar nicht so wie ich erwartet hätte, zusammen wirkten dieser Mensch und diese Stimme sonderbar fremd, so ganz anders als ich ihn mir vorgestellt hatte, nein, ich hatte ihn mir ja gar nicht vorgestellt, sondern immer nur seine Stimme in verschiedenen Rollen gehört. Also hätte ich doch jetzt gar nicht irritiert sein dürfen. Ich hatte doch bis vor dieser Sendung kein Bild von dieser Stimme. Oder hatte ich doch eines? Wie habe ich diese Bild zusammen gesetzt? Und woraus? Wie sonderbar es doch ist einen Menschen das erste Mal zu sehen, dessen Stimme man seit Jahrzehnten kennt, der einem deshalb vertraut scheint.

Beim Schreiben dieses Beitag schlug ich in der Wikipedia nach, um herauszufinden, wem Christian Brückner außer Robert DeNiro noch seine Stimme lieh. Dabei hatte ich einen zweites Aha-Erlebnis. Mein persönlicher Titel für Brückner ist seit langem “The Voice”, weil ich seine Stimme so faszinierend finde, und dann las ich in der Wikipedia, dass Brückner Brückner “[...] aufgrund seiner äußerst prägnanten Stimme [...] auch „The Voice“ genannt” wird. Erstaunlich!

Algarve, Portugal

Noch immer überkommt mich ein sonderbares Gefühl, wenn ich das Foto betrachte. Der Atlantik strömte um meine Waden, rollte sich das Ufer empor, die Brandung schäumte und rauschte, Salzwasser spritzte mir ins Gesicht. Der Mann am rechten Bildrand glotzte mich missmutig an, als ich an ihm vorbei ging. Häuser drängelten sich an dem Hügel, die bleichen Fassaden blendeten mich mit gleißenden Licht. In einem dieser Häuser wohnte Martha. Ich schaute zu dem Felsen, der von den Quartieren der Einheimischen und den Hotelblocks eingeklemmt wurde, und suchte nach dem Balkon meines Zimmer, konnte aber nicht einmal mein Hotel finden. Nicht das einzige, was mir abhanden kam. Ich schlenderte am Strand entlang. Eine Frau in einem roten Bikini ließ sich von ihrem Begleiter eincremen. Ein paar Kinder planschten in den Wellen. Vor der Uferpromenade räkelten sich Holzboote, an einigen werkelten Männer mit verwitterten Gesichtern. Ein vollbärtiger Greis strich den Rumpf einer Jolle mit Pech, der Geruch stieß mir in die Nase. Der Alte grinste mich an. Ich überlegte ihn zu fragen, ob ich sein Boot mieten könnte, für mich und Martha, ging aber weiter. Unter einem Baldachin verkaufte ein Junge Eis und Getränke. Flamenco-Musik dudelte aus einem Radio. Ich lauschte dem Gemurmel der Urlauber, die sich am Strand sonnten: Spanisch, Portugiesisch, Englisch, Deutsch rieselte in meine Ohren. Keine der Stimmen erzählte von Martha. Ich erreichte den Felsen, wo ich in einigen Stunden mit ihr verabredet war. Durch das Gestrüpp, das den Felsen überwucherte, wisperte eine Brise. Ich hockte mich in den Eingang einer schmalen Grotte und wartete auf Martha. Kühle und der Geruch nach Seetang schirmten mich ab.

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