Frühlingsraben
Langsam wird es Frühling, dachte Norbert, als er den türkischen Schnellimbiss verließ und die Adalbertstraße hinauf schaute. Er blieb noch einen Moment vor dem Schaufenster stehen und pulte mit einem Zahnstocher Reste des Döners aus den Zahnzwischenräumen. Das Fleisch war heute versalzen gewesen. Über ihm flog ein Schwarm Krähen Richtung Innenstadt, ihr Krächzen war so laut, dass es sogar den abendlichen Berufsverkehr übertönte. Ob sie es auch spürte? Er konnte selbst nicht so genaus angeben, warum den Frühling spürte. Es war noch immer kalt. Wenn er morgends aus seiner Küche heraus auf die Straße schaute, mussten die Leute oft noch die Scheiben ihrer Autos frei kratzen, bevor sie zur Arbeit fahren konnten; dabei war gestern schon Frühlingsanfang gewesen. Gestern hatte er das nur als eine Notiz im Kalender und als Meldung in den Nachrichten wahrgenommen, gespürt hatte er den Frühling erst gerade eben und er fragte sich, woran das lag. In den Hosentaschen suchte er nach Zigaretten und Streichhölzer. Er steckte sich eine Malboro an, nahm ein tiefen Zug. Während er zu seiner Wohnung zurückkehrte, beobachtete er den Himmel. Vielleicht glaubte er, dass der Frühling nun endlich käme, weil es noch so helll war? Ein paar Wolken trieben über den dunkelblauen Himmel. Als er das Tor zum Hinterhof seines Hauses aufstieß, spürte er den Frühling so deutlich, als hätte dieser ihm gerade auf die Schulter geklopt. Über der Innenstadt kreisten die Raben, die Luft roch zitronigfrisch.
sarah.tegtmeier - 21. Mär, 21:06