Messer
Sie legte das Messer zurück in die Schublade, nachdem sie das Blut an ihrer Schürze abgewischt hat, nachdem sie ihre Hände gewaschen hat. War es das Wert? Was wird sich jetzt für sie ändern? Wenn sie nicht aufpasst, wenn sie in den nächsten Wochen einen Fehler macht, dann wird sie ausziehen müssen, nicht freiwillig, sie wird sich die Wohnung nicht selbst aussuchen dürfen. Ein kleines Einzelzimmer wird man ihr zuweisen. Mit einem Schlüsselwächter und einem Torwächter. Eine Zukunft gebaut aus Verboten, Verordnungen, und Demütigungen. Ihr Blick folgt der Blutspur, die auf das Laminat tropfte, nachdem sie vom Schlafzimmer in die Küche ging. Nun gibt es nur ein ein Danach, das Vorher stach sie mit dem Messer aus dem Fleisch ihres Lebens. Sie trocknet sich die Hände ab. Wie sah das Vorher aus? Schneller als sie ahnte verblasst die Erinnerung. Wie ein Fleck auf einem Löschpapier, das auf einer Heizung liegt. Ausgetrocknet, Laub das im Herbst von den Bäumen fällt. Sie nimmt ein Glas aus dem Schrank, füllt es bis zum Rand mit Rotwein, setzt das Glas an die Lippen, anstatt zu trinken, kippt sie sich den Wein über den Kopf, leckt nur die Tropfen, die der Zufall über ihre Lippen spült mit der Zunge. Sie setzt sich auf einen Stuhl. Die heilige Flüssigkeit sickert in das Nachthemd. Widerstehen Blutflecken einem Vollwaschmittel standhafter als Blutflecken. Saubermachen, aufräumen, ein Alibi zurecht legen, ein Story erfinden, die man glauben könnte, wenn die Augen den dazu passenden Blick fänden. Sie muss etwas tun. Aber sie hat es schon getan. Es gibt nichts mehr zu tun. Sie lächelt.
sarah.tegtmeier - 25. Nov, 00:55