Liebe Leserin, lieber Leser

ich grabe in meinem Bergwerk nach Texten und finde: Nuggets, Kristalle, Edelsteine und viel zu oft Katzengold. An den Fundstücken klebt Schlamm. Sie müssen gewaschen und poliert werden. Das alles mache ich hier nicht.

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Das Streben nach Angst
Seit Jahren gibt es eine Weisheit unter Werbestrategen:...
sarah.tegtmeier - 5. Apr, 22:47
Sinkflug
Er verlässt seinen Platz, seinen Arbeitsplatz, ohne...
sarah.tegtmeier - 7. Mai, 22:24
Liebe Sarah, manche Passagen...
Liebe Sarah, manche Passagen aus deinem Text fühlen...
Wally (Gast) - 9. Mär, 13:12
Ohne Zweifel von außen,
auch ohne Selbstzweifel wird man nicht besser, oder? Vielleicht...
HARFIM - 2. Mär, 00:10
Schreibheimat
Gestern kam die neue Ausgabe der TextArt. Auch wenn...
sarah.tegtmeier - 1. Mär, 22:25

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5
Apr
2017

Das Streben nach Angst

Seit Jahren gibt es eine Weisheit unter Werbestrategen: Sex
sells! Egal wie verrückt die Botschaft, egal wie
unausgereift oder fehlerhaft das Produkt ist, egal ob ein
bestimmtes Nahrungsmittel nachweislich der Gesundheit
schadet, mit Sex kann man alles verkaufen. Wenn eine Firma
etwas an den Mann bringen will, ist sie daher gut beraten
eine möglichst vollbusige Schönheit in ihren Werbespots
auftreten zu lassen. Sind dagegen Frauen die Zielgruppe,
macht sich ein muskulöser durchtrainierter Blondling mit
blanken Oberkörper recht gut.

Wenn sich der eingangs zitierte Slogan überwiegend an die
Werbestrategen richtet - also an diejenigen Akteure eines
Produktions- und Vermarktungsprozesses, die an dessem Ende
stehen - dann gibt es aber auch einen Rat an jene, die am
Beginn dieser Prozesskette stehen, an jene also, die über
reichlich Eigenkapital oder beste Kontakte zu
Risikokapitalgebern verfügen: die Gründer neuer Unternehmen,
an diejenigen, die nicht länger abhängig beschäftigt sein
sondern sich in das Wagnis der Selbständigkeit stürzen
wollen. Diese eine Weisheit zielt nicht darauf ab, wie ein
neues Produkt geplant werden muss, um ein erfolgreiches
Unternehmen zu gründen. Sie gibt keine Ratschläge, wie man
die Strömungen in einer Gesellschaft am besten analysiert, um
herauszufinden was der nächste Hype, das nächste große Ding
sein könnte, das man auf keinen Fall verpassen darf, wenn man
sich in die Reihe visionärer Unternehmensgründer einreihen
will. Die Weisheit benennt nur genau eine Zutat, einen
essentiellen Bestandteil für ein neues Produkt, der allein
dafür sorgt, dass das Produkt ein Verkaufsschlager wird. Wenn
ein Produkt über diesen einen Bestandteil verfügt, kann man
sich jedwede Vermarktungsstrategie sparen - das Produkt
verkauft sich praktisch von selbst. Diese eine Zutat ist:
Angst.

Wenn es einem Chemiker gelänge, Angst in ihrer
Reinform zu synthetisieren, wenn er jedwede Verunreinigung
durch Hoffnung oder Gewissensbisse herausfiltern könnte, er
hätte die Formel für den größten wirtschaftlich Erfolg aller
Zeiten gefunden. Er müßte nur noch eine Verfahrenstechnikerin
finden, die einen Produktionsprozess entwirft, um seinen
neuen Wunderstoff in ausreichendem Umfang herzustellen. Das
Unternehmen, mit dem er sein neues Produkt verkauft, müsste
sich keine Gedanke um die Zielgruppe machen. Es wäre keine
verlockende Verpackung nötig, wahrscheinlich wäre die sogar
eher hinderlich. Angst verkauft sich am besten in ihrer
Reinform. Er könnte jeden Preis dafür verlangen. 1 Cent,
einen Euro, 1 Million Euro, zehntausend Barren in Gold gepresstes
Latinum. Die Währung des Preises spielte keine Rolle. Jeder
würde sein gesamtes Leben dafür verschwenden, um den Preis
dafür aufbringen zu können. Man könnte Angst sogar verschenken, die
Abnehmer würden allein schon aus reiner Dankbarkeit für ein
paar Krumen Angst freiwillig Geld dafür geben.

Für ein bisschen Angst sind wir bereit jeden Preis zu zahlen.
Für Angst geben wir alles her: Unsere Freiheit und
demokratischen Grundwerte. Wenn irgendjemand ein Päckchen
Angst vor unserem Bewusstsein ablegt, fahren wir unsere
Firewall herunter und deaktivieren unseren Virenscanner. Wir
saugen die Angst auf wie ein Verdurstender einen Tropfen
Wasser in der Wüste. Wir wählen Volksverhetzer und
narzisstische Machos. Wir liken und twittern Fakenews und
plappern alternative Fakten nach. Wir schlendern nicht mehr
spät abends allein durch dunkle Gassen, wir meiden größere
Menschenansammlungen, wir sagen lange geplante Feste und
Sportveranstaltungen ab. Wer anders ist als wir, den sperren
wir ein oder verjagen ihn aus unserem Land: Weil er eine
andere Sprachen spricht, seine Haut dunkler oder röter ist
als unsere, weil sie ein Kopftuch trägt oder in fremden Riten
ihrem Gott huldigt, weil sie anders lieben, weil sie vor
Krieg, Verfolgung oder wirtschaftlicher Not flüchten. Damit
wir das alles vor uns selbst rechtfertigen können, brauchen
wir unsere Angst. Wir streben niemals nach Glück sondern
immer nur nach Angst.

7
Mai
2015

Sinkflug

Er verlässt seinen Platz, seinen Arbeitsplatz, ohne sich etwas dabei zu denken, schaut hinaus in die Weite vor ihm, genießt diesen Blick, nickt seinem Copiloten zu. Er mag diesen Moment, wenn die Maschine für ein paar Sekunden frei fliegt, während er den Steuerknüppel loslässt und der Mann neben ihm noch nicht die Kontrolle übernommen hat. Wenn die Maschine Gefühle hätte, welche wären das jetzt in diesem Moment? Wenn sie plötzlich mit Flügeln schlüge, als wäre sie tatsächlich ein riesieger Kranich aus Stahl? Wenn sie sich zur Seite drehte, die Passagiere aufschrien aus Angst vor einem möglichen Absturz? Wenn sie dann aufeinmal merkten, dass ihnen nichts drohte sondern nur den ruhigen Schlag der stählernen Schwingen beobachteten, ein Lächeln auf ihren Gesichtern sich ausbreitete, weil sie diesem Wunder trauten?

Er schmunzelt, bespricht mit seinem Copiloten die vorgeschriebenen Schritte. Durch die Scheibe kann er den blauen Himmel sehen. Noch empfindet er so etwas wie Ehrfurcht. Obwohl er die Theorie der Aerodynamik verinnerlicht hat, staunt er immer noch, wie sie trotzdem funktioniert. Irgendwo endet das Blau, irgendwann dünstet sich die Atmosphäre so weit aus, dass man nicht mehr von ihrer Gegenwart sprechen kann. Er wundert sich jedes Mal, wenn er auf die Wolken blickt, die unter der Maschine vorüber ziehen, warum er diese Grenze, obwohl sie absolut und fundamental ist, noch nie gesehen hat.

Er klopft seinem Copiloten anerkennend auf die Schulter, denkt alles mögliche, hat schon mehrere Flüge mit diesem jungen Kollegen absolviert. Auch wenn der Copilot etwas still, mag er ihn, fliegt gern mit ihm. Manchmal kommt es ihm vor, als trage der junge Kollege etwas auf seinen Schulter, eine Last, die ihn nicht so unbeschwert und draufgängerisch agieren lässt. Er war selber einmal so jung, dachte, er könne die Welt in 24 Stunden allein in einem Jet umfliegen. Gerade diese Zurückhaltung festigt sein Vertrauen in den Copiloten, kein Grund sein Eindruck zu melden. Menschen sind verschieden. Der eine flattert wie ein Schmetterling, der andere kämpft schwer mit der Luft, torkelt im Wind wie ein Maikäfer, der zufällig entdeckt hat, wozu diese Flügel gut sind. Er zwinkert seinem Copiloten aufmunternd zu. Bestimmt hatte er gehofft, dass sich so etwas ergäbe, wo er für einen Moment die Kontrolle über die Maschine bekäme, um ihr seinen eigenen Kurs aufzuzwingen: Im Steigflug hinauf zu der Grenze.

Wenn er selber doch noch einmal so jung und unbeschwert wäre. Er tritt aus dem Cockpit. Die Tür fällt hinter ihm zu. Er geht auf die Toilette. Er hätte heute Morgen nicht so viel Kaffee trinken sollen, sich wenigstens das zweite Glas Orangensaft verkneifen. Er holt sich aus der Bordküche einen Kaffee, wie schwach er doch war, flirtet noch etwas mit einer der Stewardessen, dann steht er auch schon wieder vor der Tür zum Cockpit. Er klopft, schaut den Gang hinunter zu den Passagieren. Das muss eine Schulklasse sein, denkt er, als er die Teenager in der ersten Reihe erblickt. Er nippt an seinem Kaffee, klopft noch einmal. Wahrscheinlich war sein Klopfen nur zu zaghaft.

Die Tür bleibt verschlossen.

1
Mrz
2015

Schreibheimat

Gestern kam die neue Ausgabe der TextArt. Auch wenn ich die Zeitschrift in den letzten Jahren kaum gelesen und ich mich schon oft gefragt habe, warum ich sie überhaupt noch abonniere, überrascht sie mich immer wieder mit Artikeln genau für mich zum richtigen Zeitpunkt. Auf der Frontseite prangt der Titel eines Artikels: “Tägliche Schreibpraxis” Genau diesen Artikeln brauche ich wahrscheinlich genau jetzt. Als ich das Heft in meiner Post gestern fand, hatte ich kein schlechtes Gewissen, weil ich in den letzten Monaten, nein in den letzten Jahren, eigentlich seit ich bei Traveltainment angefangen habe, so wenig geschrieben hatte. Dessen war ich mir seit langem bewusst. Ich habe es als etwas gegebenes akzeptiert. Ich habe mich nicht dagegen gewehrt, ließ mich einfach durch mein Leben treiben, ohne recht zu wissen, was ich eigentlich will. Ich ließ sogar den Gedanken zu, ob ich überhaupt noch schreiben will, ob ich es nicht besser wie Wally drangeben, die Phase hinter mir lassen sollte, um endlich etwas neues anzufangen: Der Gedanke erschreckte mich nicht sondern schien mich vielmehr zu trösten. Allein die mahnenden Letter des Titels rückten etwas in mir zurecht. Ich stimmte sofort zu: Tägliche Schreibpraxis ist nötig. Wie für mich eigentlich auch tägliche Krankengymnastik nötig ist. Ich denke eigentlich immer daran zu schreiben. Oft rede mich damit heraus, zu müde zu sein. Aber ich weiß: Das sind nur faule Ausreden. Alle paar Wochen nehme ich mir vor, die tägliche Schreibpraxis wieder einzuführen, dann schreibe ich hier an diesem Ort, meiner imaginären Schreibheimat, hier in meinem WriteRoom darüber, wie toll es sich anfühlt, wieder zu schreiben. Ich ergötze mich an den Buchstaben, die ich auf den Bildschirm spritze. Ja, sie könnten eine Bedeutung haben, für mich, oder irgendjemanden in oder außer mir, der ich noch nicht begegtnet bin. Diese Schreibheimat ist vielleicht der intimste Ort, den es für mich in diesem Universum gibt. Hier darf ich mir alles erlauben, hier bin ich keinen Zwängen unterworfen, hier zähle noch nicht einmal ich selbst und meine Zweifeln an mir und allem, was ich an mir auszusetzten habe, oder von dem ich glaube, was andere an mir kritisieren. Hier darf ich schreiben, so viel und so oft ich will über immer die gleichen Themen, mit immer demselben Enthusiasmus, dem alle paar Wochen immer dieselbe Ernüchterung folgt. Niemand wird mich hier kritisieren, noch nicht einmal ich muss hier meine Gedanken anzweifeln. Hier muss ich mich nicht über meine Wortwahl ärgern, mir nicht vorwerfen schwache Verben und immer die gleichen Redenwendungen zu verwenden. Dies ist meine Schreibheimat, dies ist der Platz nach dem ich mich sehne, an dem ich mich vergessen möchte. Die Erinnerung an ihn begleitet mich überall hin.

1
Feb
2014

hetero, schwul, trans? na und!



Irgendwann Anfang der 80er Jahre fragte mich ein Junge aus meinem Dorf: „Sag mal, was bist Du: heterosexuell oder homosexuell?“ Zu dem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung, was er von mir wollte. Wir waren auf dem Rückweg vom Spielplatz. Warum er mich begleitete, weiß ich nicht mehr. Ich kannte ihn nur flüchtig. Er war ein oder zwei Klassen unter mir. Ich traf ihn nur auf dem Spielplatz. Er drängte mich zu einer Antwort. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass es eine falsche und eine richtige Antwort gäbe. Wenn ich damals schon die Bravo gelesen hätte, hätte ich vielleicht gewusst, worauf seine Frage abzielte und wie die richtige Antwort lautete. Meine Eltern haben sich mit mir nie über solche Dinge unterhalten, erst recht nicht über Abweichungen von Norm. Auch im Sexualkundeunterricht wurde darüber nicht gesprochen. Was wollte dieser Junge also von mir? Warum fragte er mich das? War mein Verhalten auffällig, unterschied es sich von dem der anderen Jungen aus meinem Dorf? Ungefähr zur gleichen Zeit begann ich mich für den Kleiderschrank meiner Mutter zu interessieren. Ich näherte mich dem Eingang der Vorhölle, die umgangsprachlich auch als Pubertät bezeichnet wird.

Irgendwo sitzt gerade vielleicht Mattei an seinem Schreibtisch, stützt den Kopf mit beiden Händen und rauft sich die schwarzen Locken. Er versucht sich auf die Lateinübersetzung zu konzentrieren. Vom Fenster seines Zimmer kann er auf den Hof herabschauen. Sein Vater fährt in einem Trecker vor, springt aus dem Führerhaus und winkt seinem Sohn zu. Mattei versucht so zwanglos wie möglich zu lächeln. Er will sich nichts anmerken lassen, erst nicht etwas, das er weder versteht noch benennen kann. Alle Schulaufgaben hat er erledigt, sogar Mathe hat er schon geschafft, obwohl er das Fach wie kein anderes hasst. Warum fällt ihm die Übersetzung so schwer? Er kennt alle Vokabeln. Die Grammatik hat er auch drauf. Trotzdem kann er sich nicht auf den Text konzentrieren, stattdessen muss er immer an den jungen Lateinlehrer denken. Er blickt hinaus aus dem Fenster über die Ausläufer des Schwarzwaldes. Die Wipfel ducken sich im Wind, als wollten sie vor dem heraufziehenden Gewitter abtauchen. Die Fensterläden klappern. Mattei greift nach seinem Füller, schüttelt den Kopf, schlägt das Heft auf und will schreiben, dann zögert er, starrt wieder aus dem Fenster in die Ferne, bewegt mechanisch an den Stift über das Papier, achtet nicht auf die Buchstaben, zwingt seine Gedanken auf die Lateinübersetzung und erschrickt, als er liest, was er geschrieben hat: Den Namen seines Lateinlehrers, schnörkellos und klar. Er umkreist den Namen mit dem Füller, bis dieser mit einer tintenen Mauer umgebeben ist.

Irgendwo rennt Laura das Treppenhinaus hinunter auf die Straße. Die Mutter ruft hinter ihr. Laura hält sich die Ohren zu, achtet nicht auf die Leute auf dem Bürgersteig, stößt mit einer Nachbarin zusammen. Erst am Ende der Straße, wo der Wald anfängt, der Straßenlärm kaum noch hörbar ist, verlangsamt sie den Schritt. In einer Hand hält sie noch immer die Schere, krallt die Finger darum, dass die Gelenke weiß hervor treten. Sie mag den Geruch nach Tannennadeln, zieht die Ballerinas aus. Der Boden, noch nass vom letzten Gewitter, schmatzt unter ihren nackten Füßen. Am Ufer eines Baches sinkt sie auf die Knie und betrachtet ihr Spiegelbild. Wer ist das Mädchen in dem blumigen Sommerkleid? Die Mutter zwang sie, es anzuziehen. Eine junge Dame muss sich schließlich schick machen, wenn am Sonntag Gäste zum Kaffee kommen. Laura zieht das Kleid über ihren Kopf, zerschneidet es mit der Schere und wirft die Fetzen in den Bach. Als der Wind durch den Wald bläst, zittert sie vor Aufregung. Sie beugt sich wieder über ihr Spiegelbild und schneidet sich die langen blonden Haare ab, um die sie ihre Mitschülerinnnen beneiden. Mit jeder Strähne, die sie in den Bach fallen lässt, tastet sie sich näher an sich selbst heran.

Was wäre passiert, wenn ich mir zur Hochzeit meines Onkels Lauras Sommerkleid hätte ausleihen dürfen? Wenn ich mich mit Freundinnen vorm Spiegel geschminkt hätte? Wenn ich mit lackierten Fingernägeln, in Minirock und Bluse zur Schule gegangen wäre? Wenn ich keine Angst hätte haben müssen deswegen von Mitschülern verprügelt zu werden? Wenn kein Lehrer, keine Nachbarin, keine Verkäuferin im Supermarkt mich deshalb schief angesehen hätte? Wenn ich ohne Angst aufgewachsen wäre, weil ich in der Schule gelernt hätte, was abweichende Geschlechtsindentitäten sind? Wenn es normal gewesen wäre? Wenn ich mit jemanden darüber hätte reden können? Vielleicht hätte ich irgendwann die Lust daran verloren, vielleicht wäre ich noch immer ein Mann oder viel früher eine Frau geworden.

Was würde es für Mattei und Laura bedeuten, wenn sich Initiativen wie die Petition „Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regensbogens“ - nein, ich füge den Link dazu hier ganz bestimmt nicht ein - durchsetzten? Man schickte sie auf den gleichen Weg, den ich gegangen bin: Durch die Vorhölle. Sie werden sich zurückziehen, sie werden sich verbiegen, sie werden lügen, ständig in Angst leben, entdeckt zu werden, vielleicht werden sie brechen, dann wird man sie mit aufgeschlitzten Pulsadern in einer Badewanne finden oder ihre zermatschten Körpter von einem Bahngleis wischen. Wenn sie Glück haben, finden sie irgendwann den Weg hinaus aus dieser Vorhölle und kommen bei sich selbst an. Ich hatte dieses Glück, aber der Weg dorthin hat mich fast die Hälfte meines Lebens gekostet.

Ein paar der Formulierungen in der Petition haben mich tatsächlich nachdenklich gemacht, einigen Punkten könnte ich sogar zustimmen. Was mich an ihr aber meisten stört und erschreckt, ist, dass sie Angst macht, dass sie suggeriert, Kinder und Jugendliche lebten in ständiger Gefahr, schwul oder transgender zu werden, wenn sie zu viel darüber wissen, und dass die sogenannten „LSBTTIQ-Lobbyisten“ danach trachten, unser Gesellschaft zu stürzen. Was für ein Unsinn!

Fünf bis zehn Prozent aller Menschen sollen je Quelle homosexuell sein oder eine abweichende Geschlechtsindentität haben. Man muss verstehen, was diese Aussage bedeutet. Einige dieser Menschen wissen schon in frühester Kindheit, dass sie mit ihrem angeboren Geschlecht nicht glücklich werden, andere fühlen sich ab der Pubertät von ihrem eigenen Geschlecht angezogen und einige können oder wollen sich ihr ganzes Leben nicht auf ein Geschlecht beschränken. Sie sind nicht abnormal sondern im Gegenteil vollkommen normal und wollen nur so leben, wie es ihrer Natur entspricht. Homosexualität und Gender-Abweichungen sind ein Teil der menschlichen Natur: Das Tier Mensch hat mehr als zwei Geschlechter und beschränkt sich in seiner Partnerwahl nicht auf das andere Geschlecht. Das ist eine Aussage der Häufigkeitsabschätzung am Anfang des Absatzes. Diese Eigenschaft des Menschen muss an Schulen gelehrt werden wie die Evolutionslehre oder die Tatsache, dass die Erde um die Sonne kreist.

Eine andere Aussage lautet: Die restlichen 90 Prozent der Menschheit sind absolut immun gegen jedwede Form angeblicher LSBTTIQ-Ideologie. 90 Prozent der Mädchen träumen von einem Prinzen, 90 Prozent der Jungen davon irgendwann für ein Mädchen dieser Prinz zu sein. Keine Ideologie wird sie davon abbringen können. Wir sollten uns wünschen, dass unsere Kinder gegenüber weit gefährlicheren Ideologien ähnnlich immun sind wie gegen die angebliche LSBTTIQ-Ideologie.

Ein ehemaliger Arbeitskollege erzählte mir einmal von einem Erlebnis mit seinem gerade eingeschulten Sohn. Die beiden gingen an meinem Fahrrad vorbei, während ich nicht dabei war. Sein Sohn, der höchstens sechs oder sieben war und sich für mein Fahrrad begeisterte, sagte: „Das ist das Liegefahrrad von der Sarah. Die war früher ein Mann. Jetzt ist sie eine Frau. Das geht.“

Hier geht es zur Gegenpettion zu: Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens

3
Jan
2014

Warum die Mammuts ausstarben

Zu Beginn des neuen Jahres haben sich einige von Euch sicher ein paar gute Vorsätze genommen. Der eine will vielleicht weniger in virtuellen Welten umherirren und stattdessen öfter ein gutes Buch lesen. Eine andere möchte das Rauchen aufgeben, mehr Sport treiben oder sich gesünder ernähren. Warum die meisten Menschen ihr Verhalten ausgerechnet ab dem ersten Januar ändern wollen, mit den dafür nötigen Schritten also warten, bis die Erde auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne einen willkürlich gewählten Punkt erreicht hat, ist so als stellte jemand am 1. April einen Wasserrohrbruch in seiner Wohnung fest, telefonierte am 1. August mit dem Klempner und beschlösse gemeinsam mit ihm, dass der beste Zeitpunkt für eine Reparatur der 2. Januar des kommenden Jahr sei. Der 1. Januar scheidet natürlich aus. Welcher Handwerker arbeitet schon an meinem Feiertag?

Die intelligenteren Menschen unter uns nutzen die Zeit bis zum neuen Jahr, um sich auf die Änderungen vorzubereiten. Wir rollen den feuchten Teppich zusammen, hängen ihn zum Trocknen auf die Wäscheleine und lassen das weiterhin sprudelnde Wasser über einen Durchbruch in der Wohnungstür abfließen. Einmal pro Woche wischen wir das gesamte Treppenhaus, um die Wartezeit auf den Klempner einigermaßen erträglich zu halten. Die Nachbarn beklagen sich nur selten über den Schimmel, der langsam an Wänden empor klettert - schließlich müssen sie für den Rest des Jahres keinen Beitrag zur Treppenhausreinigung leisten, was einige Unannehmlichkeiten entschuldigt. Mit dem neuen Jahr wird alles besser.

Am 2. Januar klingelt uns der Klempner um 7 Uhr aus dem Bett. Wir verstecken uns unter dem Laken, weil der Kopf noch immer von der Silvesterparty dröhnt. Wir nehmen uns fest vor, den nächsten Jahreswechsel auf jeden Fall mit weniger Alkohol zu begießen. Während unter dem Bett das Wasser plätschert, sagen wir uns, dass das ja alles halb so schlimm sei. Seitdem letzten Frühjahr lief es doch ganz gut, da kommt es sicher auf ein paar Tage mehr nicht an. Dabei müssen wir noch Glück (vielleicht wäre Pech hier der bessere Ausdruck) haben, wenn der Klempner überhaupt am 2. Januar erscheint. Handwerker sind im allgemeinen nicht für ihren mäßigen Alkoholgenuss bekannt.

Es sollte uns also nicht wundern, wenn die meisten Menschen auch diejenigen, die sich vorbereitet wähnen, an ihren guten Vorsätzen straucheln. Wenn wir dieses Jahr unsere guten Vorsätze erfolgreich umsetzen wollen, müssen wir den Grund für das langjähriges Scheitern erkennen: Der fatale Hang des Menschen zu Ausreden. Dabei kann es sich nur um eine relativ junge Entwicklung in unserem Verhaltensrepertoire handeln und zwar um eine Degeneration des Menschen als Folge seiner Gewöhnung an zivilisatorische Errungenschaften. Im urzeitlichen Überlebenskampf können uns Ausreden keinen evolutionären Vorteil verschafft haben.

Ich stelle mir meinen Ur-Ur-Ur...-Urahn während der letzen Eiszeit vor. Er rennt gerade vor einer wild gewordenen Mammutkuh davon. Während er sie jagt, reflektiert die Kuh ihr bisheriges Verhalten - niedere Instinkte sind immer Ausreden. Ihr dämmert, dass dieser halb verhungerte Homo Sapiens sie mit seinem mickrigen Holzspeer nicht ernsthaft verwunden kann. Sie muss ihn nur mit ihrer Kraft und Größe nieder trampeln, also macht sie kehrt und greift an. Mein Urahn weiß aus Erfahrung, dass er über die größere Ausdauer verfügt. Stundenlang kann er vor einem Mammut davon laufen, bis es erschöpft zusammenbricht. Darin besteht gerade seine Jagdtaktik. Allerdings hat er von der Feier der Wintersonnenwende noch immer einen entsetzlichen Kater und jetzt auch noch Wadenkrämpfe. Am liebsten hockte er sich ein Augenblick hin, um zu verschnaufen. Was wäre passiert, wenn mein Urahn diesen Ausreden nachgegeben hätte? Denn seien wir ehrlich, um nichts anderes handelt es sich: In der Jungstein gelten körperliche Unzulänglichkeiten nicht als Grund, nicht den Abwasch zu machen oder nicht auf die Jagd zu gehen. Wie also sähe die Welt heute aus, wenn der Homo Sapiens damals einen Hang zu Ausreden gehabt hätte?

Ich sinnierte nicht über die Gründe für das Scheitern guter Vorsätze. Das Mammut hätte meinen Urahn niedergetrampelt. Der Homo Sapiens wäre ausgestorben. Die Mammuts hätten ihn ausgerottet,
sich statt seiner auf der Erde ausgebreitet und zu zivilisatorischen Höchstleistungen aufgeschwungen, die sich der begrenzte menschliche Intellekt nicht vorstellen kann. Mammutarchäologen grüben in der sibirischen Tundra die versteinerten Knochen einer primitiven Affenart aus und wunderten sich über verblichene Malereien an den Wänden unzugänglicher Höhlen. Welche Wesen auch immer beschließen, sich den eigenen Instinkten zu widersetzen und ihren Hang zu Ausreden zu überwinden, erklimmen die erste Stufe der Leiter zur Spitze der Nahrungskette.

Wenn ihr also in den nächsten Wochen an Euren guten Vorsätzen verzweifelt, wenn ihr mit dem Auto statt mit dem Fahrrad zur Arbeit fahrt, wenn ihr bei McDonald's einen labbrigen Hamburger bestellt statt euch einen vitaminreichen Salat zu bereiten, wenn ihr im Supermarkt wieder eine Plastiktüte nehmt, weil ihr zu bequem wart eine Tasche mitzunehmen, und die paar Cent für eine Papiertüte sparen wollt, wenn ihr innerhalb Deutschlands mit dem Flugzeug anstatt mit dem Zug reist und die Verspätungen der Bahn als Gründe anführt, wenn ihr dem fortschreitenden Klimawandel misstraut und die anderen erst ihr Konsumverhalten ändern müssen, bevor ihr euren Ressourcenverbrauch einschränkt, dann denkt immer daran: Die Mammuts sind ausgestorben.

7
Sep
2012

25 Minuten

Keine Ahnung, ob das funktioniert; noch weniger weiß ich, was ich mir damit beweisen will. Den Schuldigen kann ich immerhin benennen: David, du bist schuld! Und das werden ich Dir morgen auch sagen, wenn wir im Zug nach Jülich fahren. Wenn ich seinen Blog nicht durchstöbert hätte, säße ich wahrscheinlich nicht hier: Einer dunklen Wohnung, deren Geräuschlosigkeit ich zu ignorieren versuche. Schreiben! Schreiben! Nein, keine 15 Minuten für Dorethy, keinen Beitrag für meinen Weblog, nicht so lange, bis ich keine Lust mehr sondern bis die Zeit abgelaufen: 25 Minuten! Ich muss wahnsinnig sein, dass ich mich darauf eingelassen habe. Vielleicht war nur mein schlechtes Gewissen[Schuld], weil ich so lange nichts geschrieben habe. Seit die Rohfassung fertig ist, schreibe ich kaum etwas, kann mich nur manchmal (und selbst das ist noch übertrieben) zu einer Morgenseite aufraffen, von Kreativseiten, wie MaMü sind sie nennt,ganz zu schweigen. Ich möchte eine Kurzgeschichte schreiben für irgendeinen Wettbewerb. Das Thema ist „Europa“. Was fällt mir zu Europa ein? Keine Ahnung! Und jetzt sitze ich tatsächlich hier und hoffe, dass die 25 Minuten schnell vorüber gehen, dass ich irgendwas finde, womit ich die Zeit füllen kann. 

Was zum Teufel will ich mir damit beweisen? Dass ich 25 Minuten auf die Tastatur einhämmern kann, ohne dass sich meine Finger eine Sekunden ausruhen, sich nicht gegen einen Gedanken auflehnen sondern sich mit ihnen verbünden, etwas stricken, was schon da war, ohne das ich es wusste? Ich weiß es noch immer nicht. 25 Minunten. Wann habe ich den letzten wirklich langen Text geschrieben? Emails an Freunde oder Kollegen zählen nicht. Es muss das letzte Kapitel meines Romans gewesen sein.

Ich schrieb im 25 Minutenrhythmus. Pomodoro heißt das Zauberwort. Darüber wollte ich längst einen Beitrag in meinem Blog schreiben. Aber wie immer, wenn ich einen Beitrag für meinen Blog plane, lädt sich der Plan mit Bedeutung auf, die meine Gedanken auf den Boden fesselt. Ich könnte die Bedeutung ja verfehlen, die Ansprüche des inneren Kritikers nicht erfüllen. Was wenn es jemand liest, mit dem Kopf schüttelt, weil es murks ist; und nicht wie die Ansprüche wollen: Ein wichtiger und guter Text.

Früher viel es mir leichter in meinem Blog zu schreiben. Ich redete mir ein, einfach drauflos schreiben zu können. Aber irgendwer wird es lesen, wird den Kopf über die absonderlichen, wirren Gedanken schütteln, wird sich keine Bookmark für meinen Blog setzen. Unwichtig, uninteressant. Das wollen die Ansprüche nicht, ganz im Gegenteil.

Erstaunt stelle ich fest: Es geht! Schreiben, auf die Tasten hämmern, es kommen Sätze, wenn sie auch wie immer in solchen Situationen, wenn ich mich in meinen Schreibraum begebe, ohne eine klare Vision von einem Text zu haben, sich immer um das selbe Thema drehen: Schreiben. So arbeitet das Hirn. Ich setze mich hier hin, lege die Hände auf die Tastatur und denke: Schreiben! Über was anderes sonst als über Schreiben, wird mein Hirn dann nachdenken. Es hat mich gerade dazu gebracht, dass ich mich hiersetze, es ist noch voll damit beschäftigt, diesen Gedanken zu konstruieren. Neuronen tauschen Nachrichten, Potentiale wandern von einer Nervenzelle zur anderen. Blitzlichter in meinem Kopf: Es sollte mich nicht wundern, dass ich übers Schreiben schreibe, wenn ich mich mit leeren Kopf an die Tastatur setze.

Wie viel Zeit ist jetzt eigentlich vergangen. Sind das wirklich zusammenhängende Gedanken? Fühle ich mich jetzt besser. MaMü hat die Morgenseiten irgendwann aufgeben, weil sie immer nur darüber schrieb, dass ihr nicht einfiel, worüber sie sonst schreiben sollte.

Jetzt komme ich langsam an den Punkt, an dem ich ungeduldig werde. Wieviel Minuten noch. Ich könnte nachschauen, wie lange noch. Der Bildschirm ist schwarz. Ich schaue auf immer dieselbe Zeile, weil der Text nach oben fortwandert, wie früher bei einer Schreibmaschine. Die Buchstaben sind hellgrün. Sonst zeigt mein Bildschirm nichts. Um nachzusehen wie viel Zeit ich noch verschreiben muss, müsste ich zur Maus greifen und 

Genau an diesem Punkt schrillt der Pomodoro-Timer. Ich habe 25 Minuten am Stück ohne Unterbrechung geschrieben. Nun könnte ich fünf Minuten Pause machen. Dann wieder 25 Minuten schreiben. Was habe ich mir damit bewiesen? Bin ich nun zufrieden?

...

Gerade hat wieder der Pomodoro-Timer geklingelt. Die 5-Minuten-Pause ist vorüber. Und nun?

30
Apr
2012

Da waren's nur noch drei

Nur noch drei Kapitel. Was nicht ganz stimmt, da das Kapitel, an dem ich gerade schreibe, noch nicht wirklich fertig ist. Also wären es eher 3.25 oder 3.5 Kapitel. Und wenn ich wirklich ehrlich zu mir wäre, wären es wahrscheinlich sieben oder acht oder noch viel mehr, wenn ich alle Kapitel hinzuzähle, deren Plot zwar inhaltlich aber nicht dramaturgisch abgeschlossen ist. Und ich will gar nicht an die Kapitel denken, die ich komplett neu schreiben muss, weil sie entweder nicht mehr in den Plot passen oder in einem so schlechten Zustand sind, dass eine Überarbeitung nicht ausreicht.

Wenn ich sage es fehlen nur noch drei Kapitel, meine ich, dass ich für noch so viele eine erste Version schreiben muss. Nur noch drei Kapitel dann ist zumindest die Rohfassung meines Romans fertig. Im nächsten Kapitel findet der Showdown statt. In den zwei restlichen Kapiteln muss ich dann nur noch Aufräumen. Antanas, Rambald und die Nebenfiguren müssen klären, wie es nach dem Showdown weitergehen soll. In diesem Kapitel wird die Ausgangssituation für die Fortsetzung vorbereitet. Im letzten Kapitel verabschieden sie sich alle vom Leser und gehen nach Hause, um ihre Wunden zu lecken, bevor sie sich wieder ins Getümmel stürzen. Für mich selbst sind die beiden letzten Kapitel nicht mehr so wichtig, da keine neue Konflikte aufgebaut werden. Insofern könnte ich auch sagen: Nur noch ein Kapitel, dann hat Antanas sein Ziel erreicht, weswegen ich den Roman schreiben musste, dann ist er Magier.

Wenn ich den letzten Wochen meine Statistik öffnete, mit der ich den Fortgang der Arbeit dokumentiere, bekam ich immer einen leichten Jubelanfall. Je näher ich dem Ende kam desto schneller schrumpfte der restliche Aufwand. Der anstehende Showdown wird wahrscheinlich 30 bis 40 lang. Morgen fange ich damit. Da ich untefähr zehn Seiten pro Tage schaffe, werden ich den Showdown wahrscheinlich nächste Wochenende schaffen. Und die zwei letzen am übernächsten. Stellt Euch das vor: noch zwei Wochen, dann ist die komplette Rohfassung meines Romans fertig.

Eigentlich schulde ich euch ja noch den Bericht vom März. An meinen Schreibtagen - zur Erinnerung: Samstag bis Montag - hatte ich immer ungefähr acht Stunden an Schreibtisch gesessen. Es gab nur ein Wochenende, an dem ich mein Schreibziel verfehlte. An die Gründe kann ich mich jetzt leider nicht mehr erinnern. Das Ergebnis des Märt war:

Schreibstunden: 53
Wörter: 29157
Seiten: 114

Zum April schreibe ich beim nächsten Mal etwas. Der lief nicht ganz so gut.

17
Mrz
2012

Zwischenstand März

Wie schnell die erste Hälfte des März vergangen ist. Früher hätte sich an den letzten Satz ein langes Lamentieren darüber angeschlossen, wo mit ich den ganzen Monat meine Zeit vertrödelt habe. Heute frage ich mich, was früher anders war, warum es mir nicht schon vor zwei Jahren gelang, so zu schreiben wie ich in den letzten Wochen geschrieben habe. Was hat sich in mir verändert?

Als ich letzten Montag mit Oliver telefonierte, um zu besprechen, wie das Wochenende gelaufen war, wunderte er sich, mit welcher Konstanz ich schreibe. Mir geht es nicht anders.

Heute Morgen saß ich um viertel nach neun hier an diesem Platz, um meine Arbeitsumgebung vorzubereiten. Mein Mac mini war die ganze Nacht über an gewesen, weil ich gestern Abend zu müde und zu faul war, ihn herunterzufahren. Ich schloss alle unwichtigen Programme: Safari, Mail, Simfy und iTunes. Und startete meine Arbeitsumgebung: Ulysses (das beste Schreibprogramm überhaupt), OmniFocus (meine Aufgabenverwaltung), Evernote (für Notizen, die ich den ersten beiden nicht unterbringen kann), TextExpander (für schnellen Zugriff auf häufig benutzte Textschnipsel) und Pomodoro (für die Strukturierung meiner Arbeitszeit). Der Einstieg ins Schreiben fiel mir heute leicht. Am Montag hatte ich mitten in einem Kapitel aufgehört. Ich musste ich mich also nicht auf ein neues Kapitel einstellen. Mir reichte eine halbe Stunde, um mir in Erinnerung zu rufen, was ich für das Kapitel geplant und an welcher Stelle ich mit Schreiben aufgehört hatte. Dann schrieb ich drei Stunden.

Zuerst fühlte es sich nicht sehr produktiv an. Antanas ließ sich die Haare schneiden, sogar ziemlich radikal, womit er mich mal wieder sehr überraschte. In den vorigen Kapitel hatte er eine schmerzhafte Veränderung an seinem Körper erlitten und eine innere Wandlung durchlaufen. Und nun lässt er sich auch noch seinen schönen Zopf abschneiden. Mir schien dieser Entschluss zu klischeehaft, zu dick aufgetragen. Auch die Szene selbst und die Unterhaltung mit dem Barbier gefiel mir nicht. Aber da musste ich erst mal durch.

Nach der Mittagspause schrieb ich noch eine Stunde. Endlich wurde es etwas interessanter. Antanas geriet in einen Streit zwischen zwei Verfemten (Shirin und ihr Bruder) und zwei Kentauren, in dem es um seine Stellung bei den Verfemten und das weitere Vorgehen ging. Diesen Streit hatte ich so nicht erwartet. Aber die Fünf haben dann zum Glück eine brauchbare Richtung eingeschlagen und das Kapitel nicht komplett über den Haufen geworfen. Am Ende der Stunde war dann Antanas mit Shirin allein in dem Zelt und sie konnten endlich die Unterhaltung führen, auf die ich eigentlich vorbereitet war. Ich hätte jetzt weiter schreiben können. Aber da ich die geplanten vier Stunden absolviert hatte, hörte ich auf. Antanas und Shirin können sich ruhig eine Weile angiften. Für mich ist das ein guter Cliffhanger bis morgen. Die nächsten vier Stunden plante ich Isabellas Expedition zu der Quelle des Wassers der Magie

Als ich prüfte, wie viel ich heute geschrieben habe, konnte ich den Zahlen kaum trauen: 2614 Wörter. Einen Momente glaubte ich, dass meine Schreibstatistik einen Fehler haben müsse. So hatte sich das eigentlich nicht angefühlt. Aber meine Statistik stimmte. Am Ende jeden Schreibtages notiere ich gewissenhaft, wie viel Zeichen, Wörter und Seiten die bearbeiteten Kapitel haben. Im Schnitt habe ich im März bisher jeden Schreibtag rund 2400 Wörter geschrieben. Jeder Tage bedeutete keinen große Quälerei. Ich hatte einfach nur geschrieben, mich meinem Rhythmus anvertraut, mich nicht gegrämt, wenn ich mich durch Passagen schrieb, die ich wahrscheinlich komplett neu schreiben oder streichen werde.

Der Zwischenstand sieht so aus:

Wörter: 16973

Seiten: 66


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